Sunday, February 18, 2018

Niclas Zrinys Heldentod vor dreihundert Jahren und deſſen Verherlichung durch die Dichter.


Niclas Zrinys Heldentod vor dreihundert Jahren und deſſen Verherlichung durch die Dichter.

Source: Book

N. Zrinys Heldentod und defſen Verherlichung durch die Dichter[1].

Am 7. September 1566 ſtarb Graf Niclas Zriny der ältere vor dem brennenden Sigeth den Heldentod durch Türkenhand. Man hat ihn den ungariſchen Leonidas genannt, obwol er verſchieden von ſeinem Vorbilde den Feind wirklich abhielt vom weitern vordringen, ſo daſs ein großer Theil der bedrängten Länder gerettet war. Das wuſste man auch in Ungarn wie in Deutſchland; Von beiden Völkern iſt er darum von jeher gefeiert worden wie kaum einer, und es iſt eine Pflicht der Dankbarkeit, die dreihundertjährige Wiederkehr ſeines Todestages nicht unbeachtet vorübergehen zu laſſen. Einen Beitrag zur Belebung ſeines Gedächtniſſes will auch dieß Schriftchen liefern, und zwar zunächſt einfach erzählen was geſchehen iſt, um dann noch des Helden Verherlichung durch die Dichter beider Sprachen kurz zu betrachten. Vielleicht iſt die bewegte Zeit, in der dieſe Zeilen" geſchrieben werden – weit entfernt, von ſolchen Studien abzuhalten – noch ein Anlaſs mehr, grade auf Ungarn einen Blick zu richten, und zu ſehen, was es für die Habsburgiſchen Herſcher gethan und wie es ihm vergolten worden.


Längſt waren die Zeiten Ludwigs des großen, des Mongolenſiegers, vorüber, der außer den eigentlich ungariſchen Landen ganz Polen, Bulgarien, Serbien, Dalmatien ſamt der Hälfte Italiens beſaß – einſt anerkanntermaßen der mächtigſte Fürſt ſeiner Zeit. Hundert Jahre ſpäter hatte Matthias Hunyad Corvinus (Ungarns größter König, Staatsmann, Gelehrter und Feldherr) Ludwigs Glanz erneuert, und auch die ſeit Conſtantinopels Einnahme immer gefährlicher gegen Weſten anbrandenden Osmanen in ehrerbietiger Entfernung gehalten.

Aber dieſe führte ſeit 1520 der gewaltige Soliman; gegen ihn verlor der jugendliche König Ludwig II bei Mohatſch (27,000 Ungarn gegen 200,000 Türken) Land und Leben, und von den beiden gleichzeitig gewählten Nachfolgern behauptete ſich als der mächtigere Ferdidinand von Oeſtreich, der erſte in der ununterbrochenen Reihe Habsburgiſcher Könige von Ungarn. Den Türken gegenüber ſchien ihr Glück nun dahin. Zwar Wien, bis wohin jene im Siegesflug vorgedrungen waren, blieb unerobert, aber ein großer Theil des Königreichs wurde Osmaniſche Provinz, Ferdinands Gegenkönig Johann Zápolya von Siebenbürgen, der ſeine Anſprüche auf die Krone des heiligen Stephan nie aufgegeben und ſich ſtets in einem Theile des Landes behauptet, des Sultans Vaſall. Blutige Kriege zwiſchen Ungarn und Türken wechſeln Jahrzehnte hindurch mit kürzeren Waffenſtillſtänden, welche dem Lande dazwiſchen einige Zeit zweifelhaften Friedens ſichern – bis endlich unter Ferdinands Nachfolger Maximilian (in Deutſchland dem zweiten des Namens) Soliman einen neuen Kriegszug beginnt, der – obwol gewaltiger als alle frühern – ſein letzter werden ſollte.

Hier war es, wo der in der Heimat längſt geachtete Name Zriny ſolchen Ruhm erwarb, daſs er von da ab in ganz Europa wie im türkiſchen Aſien und Afrika genannt und gekannt wurde. Ludwig der große hatte im 14. Jahrhundert den Ritter Georg von Brebir, aus deſſen Geſchlechte ſchon mancher die Banus- oder Statthalter-Würde über Croatien, Bosnien und Dalmatien verwaltet hatte, mit einigen ſechzig Schlöſſern beſchenkt, darunter das wichtigſte Serin (Zrin) in Croatien war. Von dieſen nun nannte ſich die Hauptlinie Brebir von Serin oder ſchlechthin Zriny[2] Um die Reformationszeit lebten drei Brüder des Namens; der älteſte fiel bei Mohatſch, der jüngſte frühzeitig überlebende war unſer Niclas. Im Jahre 1518 geboren, hatte er ſich ſchon im zwölften Lebensjahre durch perſönliche Tapferkeit von Kaiſer Karl eine goldne Kette und ein Streitroſs verdient. Neun Jahr ſpäter nahm er theil an der Tötung des zu den Türken abgefallenen Verräthers Katzianer (Katzenſteiner). Wegen ſchlechter Führung eines königlichen Heeres in Wien gefangen geſetzt und mit dem Todesurteile bedroht, war dieſer aus dem Kerker nach Koſtainitza in Croatien entwiſcht und hatte von hier aus mit dem Sandſchak von Belgrad Unterhandlungen wegen Uebergabe des Landes angeknüpft. Von Ferdinand geächtet ſuchte er dennoch die Grafen Zriny, ſeine Nachbarn, zum Landesverrathe mit ſich zu verbinden, wurde aber auf ihre Veranſtaltung bei einem Gaſtmahle ermordet, worauf ſie ſeinen Kopf nach Wien ſchickten. Bald nachher erhielt Niclas Zriny das Banat von Croatien wie ſein Vater; und weil er dieß Land viele Jahre tapfer gegen die Einfälle der Muſelmänner verteidigte, erhob ihn ſein Oberherr ſogar zum Tavernicus von ganz Ungarn, deſſen Hauptſtadt Peſt-Ofen damals freilich in türkiſchen Händen war.

Je mehr aber ſeine Treue des erhabenen Lehnsherrn Huld verdiente, deſto mehr hatte er (wie man vermuthen darf) unter den Ränken öſterreichiſcher Neider zu leiden, die das Ohr des Kaiſers oft und nicht ohne ſchließlichen Erfolg zu ſeinen Ungunſten beſtürmten. Nicht wenig vielleicht hatte daran Antheil, daſs Zriny, obwol natürlich katholiſch erzogen, in gereifterem Alter aus innerem Herzensdrange zur Evangeliſchen Kirche übergetreten war, deren Blütezeit in Ungarn von 1564 bis 1584 gerechnet zu werden pflegt. Neun Zehntel des Landes bekannten ſich damals zum reformatoriſchen Glauben; auch Croatien und Slavonien waren faſt ganz evangeliſch; in der 2 Meilen nördlich von der Donau, 4 Meilen weſtlich von Fünfkirchen gelegenen Feſtung Sigeth[3] herſchte die Reformation ſchon ſeit 1524. Für dieſen Ort, damals eine der wichtigeren Vorfeſten des nichttürkiſchen Ungarn, gewann Zriny ſeit 1556 beſonderes Intereſſe. Der vom Almoſchfluſſe rings umfloſſene, auch von tiefen Sümpfen umgebene Platz, zur Zeit von Marcus Horváth - Stansics[4] befehligt, enthielt hinter drei breiten und tiefen ſtets gefüllten Gräben fünf Bollwerke, in ihrer Mitte das Schloſs mit hohem Wachtturme, gegen Weſten den Marktflecken mit doppeltem Walle und Graben, wiederum getheilt in eine durch Brücken verbundene Altſtadt und Neuſtadt.

Die Türken hatten ſie rings eingeſchloſſen; vergebens ſuchte der Palatin Thomas Nádasdy[5], bei welchem u. a. Niclas Zriny mit 1000 Reitern ſich befand, ſie zu entſetzen – die Stadt wurde ein Raub der Flammen, die Burg mit größter Mühe gerettet, nachdem die Belagerer am 22. Juli abgezogen; Zriny entging in ſeiner Unerſchrockenheit mit genauer Noth dem Tode oder der Gefangennehmung durch Aali Paſcha[6]. Allmählich erſtand auch die Stadt wieder aus den Ruinen. Stansics ſtarb am 14. Septbr. 1561; Zriny konnte ſichs nicht verſagen, des bewunderten Helden Panzer und Säbel für hohen Preis von den Erben an ſich zu kaufen – ja die Erfahrungen der letzten Jahre vermochten ihn, nach freiwilliger Niederlegung der Banuswürde als Commandant von Sigeth ſich ganz in dieſe Feſte zurückzuziehen. Schon im nächſtfolgenden Jahre 1562 fand er Gelegenheit, eine neue Belagerung abzuwehren und von da ab faſt unabläſſig den Türken empfindlichen Schaden zuzufügen.

Da gelangte (wie erwähnt) 1564 Maximilian in der Fülle männlicher Kraft, 37 Jahr alt, auf den Königsthron. Mahnend erhoben die erſten des Landes, am eindringlichſten Zriny, ihre Stimme: es ſei Zeit, zur Pflicht, zur Ehre zu erwachen, dem alternden Sultan den ſchimpflichen Jahrestribut aufzukündigen, und das Recht dazu mit dem Schwerte zu beweiſen. Vergebens; Max erklärte ſich gleich anfangs unter Erneurung des Vertrages mit Soliman zur Weiterzahlung des Tributes bereit; es blieb wie unter Ferdinand dasſelbe ängſtliche Streben nach Freundſchaft der Pforte, unter dem Vorwande mangelnder Streitkräfte, dasſelbe Mistrauen in die Treue des Ungariſchen Volkes, dieſelben Verſuche, unumſchränkte Herſchergewalt in Ungarn zu erringen[7].

Und die Nachgibigkeit gegen den Feind, deſſen Uebermuth deſto mehr zu erlangen ſuchte jemehr die Schwäche ihm einräumte, erreichte nicht einmal was ſie wollte – bald war im Mai 1565 der Krieg, wie mit Johann Sigmund, Zápolyas Sohne, ſo mit Soliman ſelbſt wieder ausgebrochen. Eine der erſten Unternehmungen der Türken war die Belagerung von Erdöd[8]; am 44ten Tage derſelben, den 14. Juli, muſste die heldenmüthig verteidigte Feſte capitulieren – gegen Treue und Glauben wurde die ausziehende Beſatzung faſt gänzlich niedergemetzelt. Aufs dringendſte, doch vergeblich, war der öſtreichiſche Feldherr Lazar Schwendi, der mit bedeutender Heeresmacht im verſchanzten Lager bei Szathmár ſtand, um Hülfe angegangen worden – bald auf Maßregeln der Vorſicht, bald auf Mangel königlicher Befehle ſich berufend, blieb er unbeweglich. Die Ungarn ſahen: weder auf des Feindes Rechtlichkeit noch auf des eigenen Königs Hülfe war zu zählen – um ſo herlicher trat in zahlreichen Beiſpielen der opfermuthige Heldenſinn jener Zeit hervor. Im September desſelben Jahres ſchloſs der in Croatien eingefallene Bosnier Paſcha Muſtafa Sokolowitſch die dem Grafen Zriny gehörige Feſte Krupa[9] ein, und forderte von dem Burghauptmann Matthias Bakitſch Uebergabe – natürlich vergebens. Schon am 16. Tage der Belage rung war alle Munition verſchoſſen, am 26ten zündete der Feind die Burg an. – Da weiht die ganze Beſatzung mit Weib und Kind ſich dem Tode; „nicht ein einziger gibt ſich gefangen, nicht einer will den Verluſt ſeines Poſtens überleben; im wüthendſten Gefechte wer den ſie mit den übrigen bis auf den letzten niedergemacht.“ Unthätig ſtand indeſs der oberſte Feldhauptmann Graf Auersperg mit einem dem Feinde vollkommen gewachſenen Heere von 7000 auserleſenen Grenzern in der Nähe jenſeit des Fluſſes; nur um 100 Mann Verſtärkung hatte B. gebeten, Auersperg nicht einen geſendet. Alle edeln im Lande hätten wie Bakitſch gehandelt; wars ein Wunder, wenn ſie damals den Unmuth gegen Oeſtreich nicht bergen mochten? Im December d. J. verlangte Maximilian zu ſeinem Prachtgefolge für den Augsburger Reichstag 400 ungariſche Ritter in koſtbarer Rüſtung, etwa befehligt von Zrinys jungem Sohne Georg – einmüthig ſchlug es die Magnatentafel ab: ſie ſeien durch ſeine drei Krönungen wie durch die ſteten Feindesüberfälle während des Vertrauens auf Frieden zu ſehr erſchöpft. Noch ſtürmiſcher brach die Unzufriedenheit der Ungarn auf dem von Erzherzog Karl abgehaltenen Reichstage zu Preſsburg los.

So ſtunden die Sachen in Ungarn, als der 72jährige Soliman noch einmal zu allgemeinem Heereszuge die Fahne des Propheten entfaltete; 45 Jahre zuvor hatte er ſeine Siegerlaufbahn mit der Eroberung Belgrads begonnen – mit der Einnahme von Erlau, Sigeth, Raab, Kamorn, kurz von ganz Ungarn, hoffte er ſie zu beſchließen. Einerſeits die Berichte des Ofener Statthalters Arslan über die mangelhaften Zuſtände der Feinde, anderſeits religiöſe Mahnungen, daſs er der Verpflichtung des Gläubigen zum heiligen Kriege ſo lange nicht nachgekommen, hatten weſentlichen Antheil an ſeinem Entſchluſſe. Mit aller Pracht und Herlichkeit des Morgenlandes zog der greiſe Sultan Ende Mai genannten Jahres[10] vor die Thore Stambuls, um auf dem altberühmten Felde Ruſtem-Tſchelebis noch Muſterung zu halten. Während er die von ihm erſt ſo herlich gezierte Siebenhügelſtadt (die er lebend nicht wiederſehen ſollte) zum Abſchied überſchaute: überreichten ihm verſchiedene Dichter glückweißagende Gedichte. Eines derſelben, von dem gefeierten Abdu 'l Baki, hat folgende Strophen:

Im Reich der Schönheit ruht hier der Sultan, ſein Auszug zeiget uns den Frühling an. Der Lenz iſt da; ſo mög', o Herr, dein Roſs die Welt ſich auserſehn zur Siegesbahn. Durchzeuch der Römer Land! Es ſei der Sieg nur Deinem ſtolzen Banner unterthan! Es wehe, wie der Traurcypreſſe Zweig im Siegeswinde weht, fortan – fortan! Das Waſſer Deines Schwertsſchwemm' weg die Welt– des Feindes Blut mach’ ſie zum Roſenplan! Am Himmel ſoll Dir Beifall lächeln Mars, denn an dem Tag der Schlacht biſt Du der Mann. Wir beten (Baki), es behüte Gott den Herrn der Welt, den Schach Süleiman[11]!

Am 49ten Tage nach dem Ausmarſche aus Conſtantinopel langte das Heer in Belgrad an. Die Mannigfaltigkeit des troſsreichen Zuges (man rechnet allein 300,000 Streiter) hat Theod. Körner in ſeinem bekannten Trauerſpiele faſt mit den Worten der alten Chronik die er benutzte erzählt; auf ihn verweiſe ich auch für das folgende, ſo weit es gilt nur einen allgemeinen Eindruck des Feldzuges ohne ſtrenggeſchichtliche Wahrheit im einzelnen zu erhalten. Für dieſe ſind uns beſonders zwei deutſche Berichte von Wichtigkeit: der erſtere, von einem Offizier Zrinys nur zwei Jahre nach dem Ereigniſſe ſelbſt in kroatiſcher und lateiniſcher Sprache verfaſst, dann auch verdeutſcht, findet ſich unten unter Nr I S. 1–32 vollſtändig abgedruckt; der zweite ausführlichere von dem K. K. Hofhiſtoricus Hoſsmann 1617 zuſammengeſtellt, auch von Körner wol meiſt zu Grunde gelegt, iſt wenigſtens durch eine Probe S. 32–39 vertreten. Natürlich iſt prinzipiell in allen Punkten, woein Widerſpruch zwiſchen beiden obwaltet, dem ältern der Vorzug gegeben, zumal der kaiſerliche Hiſtoriograph hie und da den Einfluſs ſeiner Stellung verſpüren läſst. Im ganzen ſtimmen hiemit mehr oder weniger die lateiniſch geſchriebenen Berichte der Ungarn, des Peter Bizari (1573), ſowie die entſprechenden Partien der von Feſsler benutzten größeren Geſchichtſchreiber Istvánfi, Budina u. anderer, am wenigſten die türkiſchen Darſtellungen, die wir ſo ziemlich bei J. v. Hammer-Purgſtall zuſammengefaſst finden. Schreiber dieſes wird ſich zunächſt an die Hiſtori von 1568 halten, ohne dieſelbe nochmals hier auszuſchreiben.

Zwiſchen Belgrad und Semlin ſchlug der Sultan, nachdem er die Sau bei Schabatz paſſiert, ſein Gezelt auf der Höhe auf, wo einſt Hunyads Schloſs ſtand. Hier erſchien der Kronprätendent Joh. Sigmund aus Siebenbürgen mit prächtigen Geſchenken; Soliman verhieß ihn dreimal größer zu machen als er ſei – aber drei Monate nachher war der große Osmanenfürſt nichts als eine Handvoll Staub, und fünf Jahre ſpäter neigte ſich auch Zápolyas Haupt im Tode, ohne daſs eine Königskrone es zuvor geſchmückt hatte.

Die Türkenmacht erſtreckte ſich damals Donauaufwerts bis Gran, weſtlich waren Dotis (Tata), Weßprim, Fünfkirchen, Siklós ihre Grenzorte. Soliman beabſichtigte mit dem Hauptheere bei Peterwardein oder Vukovár über die Donau zu gehen, auf dem linken Ufer vorzudringen und vor allem Erlau zu nehmen; Sigeths Eroberung ſollte der Weſtarmee unter dem Sandſchak von Tirhala Mohammed (oder Mehemed, vgl. u. S. 6.85) überlaſſen bleiben, deren Vortrab bereits Anfang Juni die Drau an mehreren Stellen erreicht, auch wol zu überſchreiten begonnen hatte. Zriny, welcher dem Preſsburger Landtage bis zu Ende beigewohnt, erfuhr dieſe Nachrichten durch ſeine Kundſchafter beizei ten; raſch entſchloſſen ſandte er einen ſeiner tüchtigſten Hauptleute Kaſpar Aläpi mit einer kleinen Abtheilung den Türken nach Siklós entgegen – mit unermeſslicher Beute kehrten dieſe, nachdem ſie Mohammeds Sohn gefangen, ihn ſelbſt mit unzähligen getötet, am 18. Juni nach Sigeth zurück. Dieſe Nachricht muſste den greiſen Sultan umſomehr erbittern, als bald auch von andern Seiten ungünſtige Berichte eingingen. Voreilig hatte Arslan Paſcha von Ofen aus einen Angriff auf die an ſich ſchwache, durch Georg Thuri aber heldenhaft verteidigte Feſte Palóta nördlich am Plattenſee gewagt, War aber an demſelben 18. Juni unverrichteter Sache abgezogen; ja die Ungarn hatten wenige Tage darauf das benachbarte ſtarke Weßprim und am 2. Juli auch Dotis den Türken weggenommen. Auch von Gran flüchteten dieſe alles koſtbare ſtromabwerts nach Ofen, denn ein ſchnelles losſchlagen Maximilians ſchien ihnen gewiſs. Nur vor Gyula (fpr. Djüla) am Köröſch lag ſeit dem 24. Juni Pertey Paſcha in der Hoffnung es bald einzunehmen – eine Hoffnung, deren Erfüllung übrigens des Befehlshabers Kerecsény (Keretſchén, auch Keretſchéni) ausdauernde Tapferkeit über zwei Monate hinauszuziehen wuſste. So ſchien es unter allen Umſtänden gerathen, auch die Hauptmacht zunächſt auf das rechte Donauufer zu werfen und vor allem Sigeth zu nehmen.

Hiezu war die in Wildheit der Donau wenig nachgebende Drau zu überſchreiten. Kleinere Abtheilungen waren bei Barotto und Moszlawina übergegangen, für das Hauptheer muſste die von 118 Schiffen getragene, 4600 Ellen lange Brücke bei Eſſeck geſchlagen werden – nach den ungariſchen Quellen durch Hamſa Beg, welcher nach den türkiſchen Berichterſtattern damit nichts zu thun hatte. Ende Juli ſtand Soliman in dem weinreichen Harsány zwiſchen Siklós und Mohács mit 100,000 Mann Reiterei ohne Janitſcharen, zum Vorrücken gegen Fünfkirchen bereit. Zuvor aber ſandte er den Todesboten mit der Saitenſchnur an den unglücklichen Paſcha von Ofen, den auch die verſuchte mündliche Rechtfertigung nicht rettete und nun Mustafa Beg von Bosnien erſetzte, während Osman Beg von Karaman zum Befehlshaber von Stuhlweißenburg d. h. von Weſtungarn ernannt wurde. Am 4. Auguſt fand der feierliche Einzug der Osmanenmacht in Fünfkirchen ſtatt, am 5. paſſierte ſie St. Lorenz, und Soliman ſchlug das Lager zwiſchen den Schibolter und Szemliker Weinhügeln auf, in Schuſsweite von Sigeth.

Alsbald begann die Belagerung dieſer Feſte, vor welcher ſchon einige Tage zuvor Sal Mahmud Beglerbeg von Rümeli mit 90,000 Mann und 300 Kanonen angelangt war, und nördlich von Sigeth bei Simlehof[12] Stellung genommen hatte, unter den Augen des Sultans, den die ſeinen mit lermenden Feſtlichkeiten und furcht *)  XIX - barem Allahgebrüll empfingen. Der wackere Zriny wollte aber auch ſeinerſeits nicht zurückbleiben, ſondern ließ Mauern und Wälle mit Scharlachtuche behängen, den Schloſsturm mit glänzenden Blechen beſchlagen und eine große Kanone zum Gruße abfeuern – zugleich erſcholl von den Mauerzinnen das Schlachtgeſchrei Jeſus, Jeſus, Jeſus! Seine nach Wien, Raab und Komorn gerichteten Bitten um Verſtärkung waren unbeachtet geblieben; doch kamen, als es zu ſpät und die Feſtungsthore ſchon geſperrt waren, zwei Fahnen (Compagnien) deutſcher Landsknechte an. So war er durchaus auf die eigne Kraft angewieſen: er verfügte zur Zeit über 2500 Mann Ungarn, Croaten und Serbier, 69 Geſchütze, Pulver im Ueberfluſs, auch ziemliche Mundvorräthe. Leider raubte ihm eine Krankheit während der Belagerung den tüchtigſten ſeiner Hauptleute, Peter Farkasics. An dieſe ſeine Mannſchaft rich tete er nun jene gewaltige Anrede, die uns in der Hauptſache erhalten iſt und unten Seite 12 ſich abgedruckt findet, jenen feierlichen Eid der Treue bis zum Tode, den ſie mit einem gleichernſten ihrerſeits zu erwidern hatten (S. 13), jenen ſtrengen Armeebefehl, den er ſeiner Commandantenpflicht gemäß gleichzeitig ausgehen ließ (S. 15). Von der Ermordung der 300 gefangenen Türken, die Körner hier erzählt, finde ich in meinen Berichten nichts, wol aber die Hinrichtung eines gefangenen türkiſchen Aga, welcher den Chriſtengott geläſtert hatte, ſowie eines widerſpenſtigen Fußklaechts Von der eignen Beſatzung.

Nun begann am 8. Auguſt von drei Seiten aus die fürchterlichſte Beſchießung der Neuſtadt; rechts befehligte Ferhad Paſcha mit dem Beglerbeg von Anatolien, links Weſſir Mustafa und der von Rumeli, in der Mitte die Janitſcharen mit Ali Portuk – voran Naſuf (Naſſuh) Beg mit fünf großen Kanonen oder Mauerbrechern. Schon Tags darauf war auch die Altſtadt beſchädigt, ja ſelbſt der Glockenturm des inneren Schloſſes zerriſſen. Sofort ließ Zriny noch in der Abenddämmerung die nicht mehr zu haltende Neuſtadt anzünden und warf ſich in die ſtark verrammelte Altſtadt. Aber auch dieſer rückten die Türken von Tage zu Tage näher, in unaufhörlicher Thätigkeit, indem ſie unter dem Schutze ihrer Stücke die Gräben ausfüllten und Dämme durch den Sumpf führten – voran jene fünf Rieſengeſchütze, unter denen namentlich eine dem obenge nannten (Seite VIII) Katzianer einſt abgenommene.

Noch einmal verſuchte es Zriny bei ſeinem König; gleichzeitig mit dem ſeinigen bat ein Bote Keretſchenys aus Gyula, unter treuer Darlegung der gefahrvollen Lage ihrer Gebieter, aufs dringendſte um ſchnellen Entſatz. Kaiſer Max war am 15. Auguſt endlich, nachdem er lange mit Sammlung ſeines Heeres zugebracht, tuit 7700 Mann Reiterei Und 3300 Fußknechten ins Lager bei Wieſelburg eingerückt, wo ſchon 24,000 Reiter, 37,700 Mann Fußvolk ſtanden; dazu in Komorn 30,000 unter Salm, bei Kaſchau, Neutra und Perlak weitere 32,000, nicht zu rechnen 34 mit Munition befrachtete Schiffe auf der Donau. Eine anſehnliche Heeresmacht, und größtentheils nur 25–30 Meilen (die Perlaker ſogar nur dreizehn) von Sigeth entfernt! Der Kriegsrath wurde berufen, die ungariſchen Feldoberſten ftimmten für Kampf und Angriff, Maximilian folgte dem Rathe der übrigen bis Raab vorzurücken (was übrigens erſt am 29. Auguſt geſchah und ihn Sigeth nur um 3 Meilen näher brachte) und dort „nach den Umſtänden zu ermeſſen, was ſich mit Ausſicht auf Erfolg unternehmen laſſe“. Zriny und Keretſcheny blieben ohne Hülfe.

Inzwiſchen war am 19. Auguſt nach neuntägiger unabläſſiger Anſtrengung des geſammten Waffenvolkes der Belagerer die Altſtadt erſtürmt worden, 400 Ungarn (darunter die wackerſten Hauptleute) aber auch 3000 Janitſcharen deckten die Walſtatt – die belagerten zogen ſich in die innere Burg zurück, deren Beſchießung den 21. begann. Vorher verſuchte Soliman (nach den türkiſchen Quellen) Zrinys Treue durch Aufforderung zur Uebergabe und Verheißung von ganz - Croatiens Beſitz; er ſcheute ſich ſelbſt nicht, ihn durch falſche Nachrichten von der Gefangenſchaft ſeines Sohnes Georg zu hintergehen – auch ſchoſs man deutſche, kroatiſche, ungariſche Zettel an Pfeilen in die Stadt, um die Treue der Truppen zu erſchüttern oder ſie unter ſich zu enzweien. Natürlich umſonſt. So wagte denn Ali Portuk, durch ein kaiſerliches Geſchenk von 200 Ducaten angefeuert, am 26. den erſten Sturm – er wurde abgeſchlagen; die Ungarn erbeuteten beim Ausfalle zwei Fahnen, unter den toten lagen Ali Portuk ſelbſt, und Sofi Ali, genannt Mißerſki Paſcha (d. i. ehemaliger Paſcha von Aegypten). Am 2. September unternahmen die Janitſcharen den zweiten Sturmangriff unter Alis Nachfolger Seifeddin – auch er mislang; erſt am 5tn ſetzten ſie die große Baſtei am größern Schloſs in Brand, nachdem ſie die darunter gelegten Minen mit furchtbaren Brennſtoffen angefüllt. Schnell griff die Flamme von heftigem Südwind getrieben in der äußern Burg um ſich, dennoch warf zunächſt Zriny ſelbſt, während die wackren Waffengefährten A. Bika und J. Nowakowitſch an ſeiner Seite fielen, den Feind mit 7000 Mann Verluſt zurück. Auch Soliman hatte ſich Tags zuvor, obwol ſchon krank und ſchwach, noch einmal ſeinen Völkern zu Pferde gezeigt und perſönlich deren Muth aufs höchſte zu ſpannen verſucht; wüthend rief er an jenem 5. Septbr dem Großweſſir mit Bezug auf ein beiden geläufiges perſiſches Lied zu:

Iſt dieſer Rauchfang noch nicht ausgebrannt? und tönet noch nicht der Erobrung Pauke?

Da war ſein eigenes Lebensöl ausgebrannt und nur eines brennenden Turmes Einſturz leuchtete ihm als Leichenfackel. Es iſt zweifelhaft, ob ihn die Nachricht von Gyulas Einnahme noch lebend getroffen: in der That hatte Keretſcheny am 1. Septbr, dem ſiebzigſten Tage der heldenmüthigen aber fruchtloſen Verteidigung auf andringen eines Theiles ſeiner Mannſchaft die Feſte gegen Vergleich übergeben. Gleich nach des Sultans Tode, den der Großweſir noch zu verheimlichen wuſste, ordnete dieſer auf den 7. Septbr wieder einen allgemeinen Sturm an, den 20ten innerhalb 31 Tagen, jetzt auf den allein noch übrigen Theil des inneren Schloſſes.

Denn in dieſes hatte ſich Zriny, der unauslöſchlichen Feuersbrunſt, welche bereits alle Vorrathskammern und Wallkeller ergriffen hatte, weichend, zurückziehen müſſen. Noch 500 Waffengefährten waren ihm geblieben; noch fehlte es nicht ganz an Vorräthen, wol aber an Waſſer, um das gewaltig um ſich greifende Feuer zu löſchen. Bald muſste es den allein noch unverſehrten Pulverturm ergreifen; wenn nicht jetzt noch plötzlicher Entſatz vom Kaiſer kam, ſo war der Augenblick da, ſich zu ergeben, oder zu ſterben und zugleich möglichſt viel Feinden den Untergang zu bereiten. Zriny  (für den auch in der höchſten Noth Keretſchenys Beiſpiel verloren war) beſchloſs das zweite. Ueber ſeine letzte Waffnung und Reden berichten alle Geſchichtſchreiber, auch die türkiſchen, ausführlich (ſ. unten S. 33–39). Auch manche beherztere Frau oder Jungfrau waffnet ſich in Männertracht. Es war die höchſte Zeit zum Ausfalle. Ein unter dem Thore liegendes Geſchütz wird abgefeuert – einige Hundert der auf die Brücke andringenden Stürmer ſtürzen zu Boden. Aus dem Rauche des Geſchützes bricht Zriny hervor; ohne Helm, ohne Panzer, einen kleinen Schild an der Hand, ſtürmt er mit den ſeinen dem Fahnenträger Juranitſch nach in die Reihen der gedrängten Feinde, deren er noch manchen erlegt. Bald wird er in die Bruſt getroffen, wenig ſpäter in den Kopf zwiſchen Aug' und Ohr; ein dritter Schuſs (ob Pfeil oder Kugel, iſt zweifelhaft) endigt ſeinen Kampf und ſein Leben. Dreimal ertönt das wilde Freudengeſchrei Allah; während die Janitſcharen des Helden Leib (ſchwerlich noch lebend, wie die türkiſchen Erzähler behaupten) zur Lafette der Katzianerſchen Kanone tragen und auf dieſer ihm den Kopf abſchneiden[13], wird die kleine Heldenſchar aufs greulichſte niedergemetzelt – ein Theil floh von Ungläubigen auf der Ferſe verfolgt in das brennende Schloſs zurück (f. u. S. 26), nur vier wurden lebend gefangen, darunter Franz Tſcherenkö und Kaspar Alapi. Mit edlem. Stolze ertrugen ſie den Hohn und die Mishandlungen der Feinde, beantworteten fie deren Fragen nach des Grafen Schätzen. Der eine derſelben (Zrinys Mundſchenk) konnte ſich nicht enthalten feine Rede mit den frohlockenden Worten zu ſchließen:

Mag er gehabt haben was er will, deſto mehr hatte er Pulver, das jetzt, während wir reden, auffliegen wird, ſo daſs das Feuer, ohne welches ihr das Schloſs nie erobert hättet, eures eignes Heeres Verderben ſein wird.

Sofort befahl der erſchreckte Großweſir wenn möglich Verhütung des gedrohten Unheils. Inzwiſchen hatten im eroberten Schloſſe Mord und Brand fortgewüthet, Weiber und Kinder wurden weggeſchleppt, die gefangnen oft von darob enzweiten Janitſcharen niedergeſäbelt – da, ehe noch des Großweſirs Warnungsboten anlangen konnten, flog der von Ziegelſteinen aufgemauerte Pulverturm in die Luft und ſchleuderte die zerriſsnen Glieder von 3000 Türken auf das ſchauerliche Leichenfeld. Mindeftens 30,000 im ganzen ſind nach den osmaniſchen Berichterſtattern vor Sigeth gefallen – dafür beſaßen ſie nun eine Ruine, die einſt Sigeth hieß.

Zrinys abgeſchnittenes Haupt wurde, wie die Chronik (unten S. 29 ff.) berichtet, mit andern auf eine Stange geſteckt und einen Steinwurf vom großherrlichen Zelte aufgeſtellt – daneben die Sigethſchen Fahnen mit umgekehrten Spitzen. Später wurde es von Muſtafa Paſcha, welcher des Helden Leib mit Ehren beſtattet zu haben verſicherte, dem Grafen Salm, durch dieſen dem Kaiſer nach Raab zugeſandt, endlich von Balthaſar Batſchäni nach Tſchakaturn gebracht und dort im St. Helenakloſter begraben neben Zrinys erſte Gemahlin mit ihren Kindern.

Und wie nahm nun Maximilian die Nachricht vom Opfertode ſeines treueſtens Dieners auf, den er ſamt ſeiner tapfern Schar ſo ſchmählich im Stich gelaſſen? Schwerlich konnten ſeine Klagen den lauten Ruf des Gewiſſens übertäuben, deſſen Entſchuldigungsgründe wir freilich zum Theil ahnen. Nach dem was wir von Zrinys Uebertritt zur evangeliſchen Kirche wiſſen, hat auch die Vermuthung Raum: daſs die öſtreichiſchen Generäle ſchon aus Haſs gegen den abtrünnigen Ketzer dem Kaiſer die Entſetzung Sigeths als zu ſchwer dargeſtellt, ſo ſtattlich auch das aus ganz Deutſchland zuſam mengekommene auserleſne Chriſtenheer daſtand. Nach der officiellen Geſchichte jener Zeit erſchien des geopferten einziger Sohn Georg, der während der Belagerung Sigeths fern geweſen war, vor Kaiſer Max, fiel auf die Knie und bat, daſs an Statt ſeines abgeſtorbenen Vaters Ihre Majeſtät ſein Vater ſein möchte; der Kaiſer aber habe ihn mit eignen Händen von der Erde aufgehoben und verſprochen, daſs er alle wege ein guter Beſchirmer und Vater dem Geſchlechte derer von Serin ſein wolle. Es liegt kein Grund vor, an ſolchem Vorkommnis zu zweifeln; ſehen wir, ob Thaten den Worten ent ſprochen haben.

Wenig im ganzen genommen wiſſen wir von den weiteren Schickſalen des ebengenannten Georg Zriny; doch verdienen zwei Ereigniſſe Erwähnung: daſs er im November 1593 im Verein mit Nádasdy zwiſchen Pakózd und Stuhlweißenburg, als letzteres von den Ungarn belagert wurde, den mit Uebermacht zum Entſatze heranziehenden Haſſan Paſcha von Ofen aufs Haupt ſchlug, und daſs er zwei Jahre ſpäter von dem kroatiſchen Landeshauptmann Herberſtein unterſtützt mit nur 10,000 Mann faſt ohne Verluſt die wichtige türkiſche Grenzfeſte Babotſcha an der Drau eroberte. Seine Hauptleute riethen, in raſchem Siegeslaufe auch das nur 5 Meilen öſtlich entfernte ſeit 1566 noch immer den Türken gehörige Sigeth[14] zu nehmen; der beſonnene Feldherr aber erkannte, daſs es beſſer war zunächſt den erworbenen Platz in feſten Verteidigungsſtand zu ſetzen und zu behaupten – leider umſonſt. Er ſelbſt wie ſein Sohn Georg II gehörten der katholiſchen Kirche an, ebenſo ihre ganze Nachkommenſchaft. Der genannte Enkel des Sigether Helden focht noch jung gegen Türken und Schweden mit gleicher Auszeichnung, 25 Jahre alt wurde er Banus, vier Jahre ſpäter zog er mit einer Schar Illyrier unter Wallenſtein gegen die Türken. Aber ein unbedachtſam raſch geſprochnes Wort, als er jenem zur Beſchämung mit eigner Hand einen Türkenaga erlegte, traf des Friedländers Stolz ſo empfindlich, daſs dieſer dem graden und ehrlichen Zriny den Tod ſchwur; er vergiftete ihn in Prag, ehe der Held das 30. Lebensjahr erreicht hatte[15]. Er hinterließ zwei Söhne, Niclas und Peter.

Der ältere, Niclas Zriny der jüngere oder der Dichter genannt, war zwar erſt zehn Jahre; aber auch er hatte ſchon an Waters Seite ſeinen Säbel mit Türkenwie mit Schwedenblut geröthet. Dreizehn Jahr alt ward er als königlicher Oberſtallmeiſter den Reichsbaronen beigezählt, und nach manchen glücklichen Kämpfen wie gegen jene ſo gegen des Kaiſers beſondern Feind Georg Rákóczy von Siebenbürgen ward er zum Obergeſpan der beiden Grafſchaften Szala und Schümegh (worin Sigeth gelegen hatte) ernannt. Dreißig Jahr alt ward er Ban von Croatien, bei der feierlichen Einführung durch den Agramer Biſchof legte er in einer längeren Rede (die Von echt claſſiſcher Bildung zeugte) ſeine Beſcheidenheit, ſeinen Edelſinn, ſeine Ergebenheit und Liebe für König und Vaterland an den Tag. Im nächſten Jahre (1650) muſste er in Légrád den mit dem Sultan geſchloſſenen Frieden durch eine Zuſammenkunft mit der türkiſchen Beſatzung in der nächſten Grenzfeſte Kanäſcha bekräftigen. Eine ungeheure Menge Turbanträger ſtrömte zuſammen, den ſchönen hohen ſchlanken Mann zu ſehen, der ſo oft ſchon ihre Krieger zum weichen brachte. Als nun der allgemeine Friede eingekehrt und der Krieg Oeſtreichs gegen die Pforte völlig aufgegeben ſchien: wollte auch Niclas Zriny ſich gänzlich den Geſchäften der inneren Verwaltung ſeines Landes widmen. Aber ſein Schwert durfte daneben nicht roſten; die den Friedensſchluſs misachtenden Grenzräubereien gaben ihm Anlaſs zu mancher kühnen Waffenthat, die ihn ſtets als Sieger nannte. Die Gelegenheit wuchs, als anfangs der 60er Jahre der Krieg wieder offen ausbrach: überall verkündeten flüchtige Türken, befreite Chriſtenſklaven die Furchtbarkeit der Zrinyer, denn Peter that es dem Bruder faſt gleich, Es führt zu weit, alle jene Züge und Siege aufzuführen, welche der Papſt und die Könige Von Frankreich und Spanien durch Auszeichnungen ehrten, auch der Kaiſer auf ſeine Weiſe durch das (nicht angenommene) Verſprechen, ihm und ſeinem Geſchlechte den bleibenden Titel eines Reichsfürſten zu verleihen – man lieſt ſie ausführlich bei Feſsler IX, 109–145, ſowie in Hormayrs obengenanntem Taſchenbuche S. 366–382, und wir werden unten nur einzelne Züge noch aufführen.

Aber der edle Ungargraf wuſste nicht minder durch geſchriebenes oder geſprochenes Wort ſeines Landes Rechte zu verteidigen. Leopolds Regierung hatte gleich mit den immer offener dargelegten, immer heftiger bekämpften Plänen begonnen, Ungarn in ein erbliches Königreich zu verwandeln. Der Landtag vom 1. Mai 1662 begann unter ſehr ungünſtiger Stimmung: bereits drei Jahre lang waren den Evangeliſchen alle Kirchen entzogen, überhaupt viele Punkte des Wahlvertrages nicht gehalten worden; die Erbitterung der Stände wurde noch gemehrt durch eine Denkſchrift des kaiſerlichen Feldherrn Raimund Montecuculi, welche bei manchen wahrhaften Anklagen gegen das Wiener Miniſterium doch die Ungarn durch eine Reihe bitter höhnender Bemerkungen über dieſe Nation aufs tiefſte kränkte. Ein ungenannter (die allgemeine Stimme bezeichnete unſern Zriny) verfocht ihm gegenüber durch eine ebenſo gründliche als beißende Widerlegungsſchrift den Waffenruhm und die Ehre ſeines Volkes und Vernichtete den Gegner in den Augen aller redlichen vollſtändig.

Kein Wunder, wenn Montecuculis Feindſchaft ſich nun perſönlicher gegen den vermutheten Widerſacher wandte. Obwol der Italiener einen Winterfeldzug für den Kriegsregeln widerſtreitend erklärte, brach Zriny mit einigen anderen Führern und einem Heere von noch nicht 10,000 Mann am 20. Januar von der Légrád. gegenüber erbauten Feſte Serénvár auf, ging ſchnell über die Mur und rückte nach ebenſo raſcher Eroberung der feſten Oerter Berzencze und Babotſcha ſchon am 29. desſ. M., inzwiſchen auf 25,000 Mann verſtärkt, vor Fünfkirchen: die Beſatzung wurde theils niedergemacht, theils gefangen genommen, theils in die Burg zurückgetrieben, deren Belagerung einem Unterfeldherrn überlaſſen blieb. Zriny zog ſofort weiter gegen Eſſeck, verbrannte die hier von Soliman 98 Jahre früher erbaute, ſeitdem vervollſtändigte und mit Kaſtellen und Türmen befeſtigte gewaltige Draubrücke (vgl. S. XVIII), und zog ſich dann der ſtrengen Kälte wegen in guter Ordnung über Sigeth, wo noch ein Haufen Türken zerſtreut wurde, nach dem Ausgangsorte zurück. Mehrere hundert türkiſche Dörfer waren zerſtört, die Beute an Geſchütz, Viehherden, Metall unermeſslich, vielen gefangenen Landeskindern die Freiheit wieder gegeben, den Türken der Grenzgegenden ein nachhaltiger Schrekken eingejagt – das alles trotz Montecuculi in einem vierwöchentlichen Winterzuge. Da zog wenige Monate ſpäter im Juli der Großweſſir (welchem der ergrimmte Sultan Muhamed nicht zu ruhen befahl, bis er Zriny, den Anſtifter ſo vieles Unheils, dem wohlverdienten Tode übergeben) mit einem gewaltigen Heere an die Murmündung vor Serénvár (bei andern Neu-Zrin), jene von Zriny 1661 in größter Schnelligkeit erbaute, von beiden Brüdern mit beſonderer Kühnheit verteidigte und darum Zriny vor allem theure Feſte. Montecuculi, der ſie für kaum haltbar erklärte, ſchickte die darin lagernden Ungarn und Croaten hinaus und übergab die Feſte ſtatt deſſen 1700 Mann deutſchen Söldnern unter dem Italiener Taſſo und dem Franzoſen Avancour, deren Tapferkeit bei mangelnder Hülfe von außen auf die Dauer nicht Stand halten konnte. Zwei Monate ſpäter war der Platz, zu deſſen Gunſten Graf Montecuculi kaum den Degen gezogen hatte, in den Händen der Türken, welche die Wälle mit nicht geringerem Eifer ſchleiften als einſt Cremas Bürger die von Mailand unter den Augen des Rothbart. Wer konnte ſich des am 1. Auguſt durch die allerdings höchſt geſchickte Taktik des nämlichen Oberfeldherrn bei St. Gotthard an der Raab erfochtenen Sieges freuen, da ein übereilter, für den Sultan viel zu günſtiger, für Ungarn faſt ſchimpflicher Friede ſich daran ſchloſs! Zriny zog ſich in ſein Familienſchloſs Tſchakaturn zurück und überlebte den Gram über ſeiner geliebten Feſte Verluſt und die Schande Ungarns nur wenige Monate. Es war noch im November 1664, als er auf der Jagd auf eine faſt unbegreifliche Weiſe von einem Eber tödlich verwundet wurde. Vergebens verſuchte er ſelbſt blutſtillende Mittel, die er ſtets bei ſich führte; er verblutete ſich an drei ſtarken Kopfwunden, eh er heimgebracht worden. So unwürdigen Todes ſtarb der edle Held, erſt 46 Jahr alt. Im Ausland und daheim, von niedern und hohen ward er betrauert, in Paris auf königlichen Befehl (da er auch Pair von Frankreich war) ein Totenamt für ihn gehalten. Unter den vielen Grabſchriften enthält die an ſeinem Denkmal (wo er den Tod fand) eingegrabene einige lateiniſche Verſe, welche zu deutſch etwa ſo lauten:

„ Hier liegt Zrini im Grabe, vom Eber zu Tode ge troffen – welchen der Feind oftmals wünſchte vom Schwerte gefällt. Der ſonſt wild wie der Leu im Kampfe die Feinde dahin warf nimmerbeſiegt, den hat ſelber gefället das Wild. Gutes Geſchick – ſonſt nichts errettete ihn in den Schlachten; böſes Geſchick – ſonſt nichts raffte den edeln hinweg. Das letzte Diſtichon ſpielt auf Zrinys Wahlſpruch sors bona – nil aliud an.

Am liebſten ſchlöſſen wir mit dieſem größten Helden des Geſchlechtes deſſen Geſchichte. Sein obengenannter Bruder Peter hatte bei aller Tapferkeit doch als Staatsmann nicht den klaren Blick wie jener; er ſchloſs ſich bald dieſer bald jener Partei an, und griff wol fehl, wo er allein handelte. Ungarns Grundverfaſſung war umgeſtoßen, die Rechte und Freiheiten der Nation vernichtet, namentlich die Unterdrückung der Evangeliſchen in die Augen ſpringend. Soweit hatte es Habsburg insbeſondere durch die Verwaltung des Fürſten W. von Lobkowitz gebracht, daſs die meiſten Edeln bewaffneten Aufſtand und Erzwingung der alten Rechte, wo nicht Anſchluſs an die Pforte, von welcher damals Duldung der evangeliſchen Glaubensfreiheit noch eher erwartet werden durfte, für das geringere Uebel hielten. Auch Peter Zriny ließ ſich zu eigenmächtigen, ja verrätheriſchen Schritten hinreißen – doch ohne Erfolg. Durch Liſt zu vertrauensvoller Selbſtauslieferung an den Kaiſer vermocht, wurde er gegen die ertheilten Verſprechungen eingekerkert, von nicht-ungariſchen Richtern verurteilt und 30. April 1671 zu Wieneriſch Neuſtadt nach Abhauung der rechten Hand enthauptet. Noch lebten ſeine beiden Kinder: Helene, vermählt an Franz Rákóczy, ſpäter an Emerich Tököli, und Balthaſar Zriny. Ohne Rachegefühl für des Vaters rechtloſe Ermordung widmete letzterer ſeine Dienſte dem Kaiſer in treuer Gefolgſchaft, während ſein Schwager Tököli als Rächer der ärger als je verfolgten Evangeliſchen[16], von den fremden unterſtützt den Titel eines Königs von Ungarn annahm. In unwandelbarer Treue folgte Balthaſar 1683 ſeinem Fürſten, als Wiens Belagerung drohte, auf die Flucht gen Linz; aber als er unterwegs bei heftigem Platzregen vorausritt die Furt des Traiſenfluſſes zu unterſuchen, wurde ſein Benehmen durch ein Misverftändnis für Verrätherei angeſehen und der junge, geiſt- und kraftvolle Mann ungehört auf einem Tiroler Schloſs feſtgeſetzt, in deſſen Kerker er nach zwanzigjähriger barbariſcher Gefangenſchaft durch den Tod von ſeinen Leiden befreit wurde.

Seine Schweſter Helene verteidigte, nachdem ihr Gemahl Tököli von den Osmanen als gefangener nach Adrianopel geführt worden, ihren Felſenfitz Munkács drei Jahre lang allein gegen die Oeſtreicher; durch Verrath gefangen ſtarb ſie nach langer Haft bei ihrem Gemahle in Kleinaſien 1703[17].

So endeten die letzten Zrinys. Wer möchte ſich wundern, wenn man zu ihrer Grabſchrift das Motiv aus dem bittern Worte Butlers entnähme, welche wir in Schillers Wallenſtein II, 6 leſen?

-------- Von allen Zrinys aber bleibt für uns Deutſche der von Sigeth der wichtigſte; er ſteht uns heute noch am nächſten, und ſchon zu ſeiner Zeit wurde die That desſelben vor allem in unſerem Vaterlande dankbar gewürdigt. Wie ſollte man auch damals, wo in allen lutheriſchen Kirchen mit voller Inbrunſt geſungen wurde Erhalt uns Herr bei deinem wort Und /leur des papſt und türken mord, wo man jede neue Zeitung vom vordringen der Türken gegen die deutſchen Grenzen (die Telegramme jener Zeit) mit fieberhafter Angſt vernahm, jede Kunde von einem Chriſtenſiege, der den Glanz der alten Kreuzzüge zu erneuern ſchien, mit angemeſſenem Jubel empfing und weiter trug – wie ſollte man da nicht mit dem tiefſten Mitgefühl das Ende jenes wahrhaft edeln ungariſchen Helden vernommen haben, vor deſſen Mauerzinnen ein Soliman den Tod fand.

Zeugnis giebt uns davon ein jedenfalls bald nach dem Ereigniſſe ſelbſt gedichtetes balladenartiges ſchlichtes Volkslied in 19 Geſetzen, wie man deren namentlich im Reformationsjahrhundert unzählige gedichtet. Auf tieferen poetiſchen Werth machen jene Erzeugniſſe keinen Anſpruch, aber ſie waren ſingbar und wurden geſungen – ſicherlich zeugt das unſrige, unten S. 41 ff. abgedruckte, von der lebhaften Theilnahme in den Kreiſen, aus denen es hervorgegangen.

Hieran ſchließen ſich zunächſt eine ungariſche und eine türkiſche Reimchronik. Dieſe, ein Werk Merachis, welcher den Tod Solimans und die Eroberung von Sigeth unter dem Titel Felhname Sigetwar beſang, würde wahrſcheinlich, auch wenn es überſetzt vorläge - und wir den Ungarhelden gerecht behandelt fänden, uns nicht weiter anſprechen, als daſs wir es eben in der Literatur des Gegenſtandes regiſtrieren[18]. Jene, von unbekanntem Verfaſſer noch 1566 gedichtet und Sziget veszedelme zu deutſch der Fall von Sigeth genannt, iſt durch die Mittheilungen Toldys in ſeiner Geſchichte der Ung. Dichtung (1854 I, S. 172) bekannt. Das Werkchen iſt jedenfalls weniger durch poetiſchen Werth (namentlich dichteriſche Erfindung lag ja jenen Chroniſten gänzlich fern) als durch einzelne auffallende Abweichungen von den übrigen Hiſtorikern intereſſant, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Der Verfaſſer erzählte ſicherlich nicht als Augenzeuge, ſondern nur was er von andern vernommen, und zwar ohne Kritik.

Als größere Dichtungen, welche unſer Ereignis zum Vorwurfe gewählt haben, wären endlich eine ungariſche und eine deutſche zu nennen; namentlich bei jener länger zu verweilen liegt um ſo näher, als wir auch für den Dichter derſelben bereits einiges Intereſſe gewonnen haben. Jener jüngere Niclas Zriny nämlich, ſeinem Urgroßvater als Kriegsheld durchaus ebenbürtig, war ſeit Corvinus Zeiten der erſte ungariſche Edelmann, deſſen Burg zugleich ein Muſentempel heißen konnte, der den Ruhm des Staatsmannes und Feldherrn mit dem des Schriftſtellers und Dichters vereinigte. Welchen Unterricht er genoſſen, ob wir alle ſeine Aufzeichnungen beſitzen, darüber wiſſen wir nichts. Tollius erzählt, daſs er die ungariſche, kroatiſche, deutſche, lateiniſche, italiäniſche und türkiſche Sprache mit gleicher Fertigkeit geſprochen habe; aus ihm ſelbſt erſehen wir, daſs er Homer und Virgil, namentlich aber Taſſo kannte und liebte.

Schon waren die Volkslieder, welche die dichteriſche Literatur ſeines Volkes zur Zeit noch faſt allein ausgemacht hatten, faſt verſtummt vor dem ununterbrochenen Kriegsgetümmel, und nur hie und da entſproſsten neue Schöſslinge den Wurzeln der alten Balladendichtung. Neue Einflüſſe waren von Italien und Deutſchland aus eingedrungen. Kein Wunder, daſs nun durch dieſe lebhaft angeregt ein Mann aus den gebilde tëren Ständen in claſſiſch-romantiſchem Geiſte zu dichten verſuchte und ſo für Ungarn der (lange Zeit freilich öhne Nachfolger bleibende) Schöpfer der Kunſtdichtung wurde. Dieß war eben unſer Niclas Zriny der jüngere, von ſeinem Volke der Dichter zu benannt.

Früh fing er an, dem was ſein Herz bewegte Ausdruck zu geben; vermuthlich aber veröffentlichte der Ban und Kriegsoberſte jene Jugendgedichte ſchon deswegen nicht, weil er ſie als ſeinem Stande nicht ziemende Spiele anſah. Doch hatte er nichts dagegen, als einige ſeiner Freunde ſieben Jahre vor ſeinem Tode fie geſammelt herausgaben. Es genüge zu erwähnen, daſs ſich darunter namentlich Nachahmungen Virgiliſcher Hirtengedichte finden, Wechſelreden zwiſchen einem Jäger und ſeiner Geliebten Viola – offenbar Einkleidungen eigener Herzenserlebniſſe. Einige 30 Jahre alt faſste er den Plan, ſeinen großen Ahnen in Taſſos Weiſe zu beſingen. Und in der That keiner war wie er im Stande, die Türkenkämpfe ſeines Helden zu würdigen, keiner darum wie er berufen ſie darzuſtellen. Nicht viel mehr als ein faſt kriegsfreier Winter genügte ihm, das Werk in funfzehn hundertſtrophigen Geſängen auszuführen – er nannte es 0bsidio Szigetiana, die Nachwelt hat ihm den Namen der Zriniade gegeben.

Wie die Aeneide Virgils uns ohne die letzte Feile durch den Dichter vorliegt: ſo hat auch Zriny nicht Zeit gefunden – vielleicht nie Luſt empfunden, ſein Heldengedicht auszufeilen, ſo ſteht auch in dieſer Hinſicht die Zriniade ähnlich neben dem Befreiten Jeruſalem, wie die Aeneis neben der Iliade. Wenn uns freilich das ungariſche Epos um ein gut Theil roher erſcheint in der Form als beide italieniſche Schöpfungen: ſo vergeſſe man nicht, daſs Virgil und Taſſo Muße hatten am Hofe eines kunſtliebenden Fürſten, und daſs ſelbſt jenem ſchon ein Ennius vorhergegangen war. Wir dürfen die Zrinias nur betrachten als einen mitten zwiſchen Kriegsſtürmen, zu deren Streiter eben der Dichter an erſter Stelle berufen war, raſh und keck hingeworfenen Verſuch, ob die Magyaren ſprache etwa nur Räuberund Wanderlieder nebſt Reimchroniken hervorbringen könne, oder ob ſie wirklich Fähigkeit beſitze, neben den Sprachen der europäiſchen Bildung einen Platz durch eigene Schöpfungen zu erwerben. Was die Form anlangt, ſo hat der Dichter die in alter Zeit übliche, nicht grade leichte Balaſcha-Strophe gewählt; dieſelbe hat den Namen von des älteren Zriny Zeitgenoſſen Valentin Balaſſa und beſteht aus vier mit dem nämlichen Reime ſchließenden (nicht ſelten cäſurloſen) Alexandrinern. Sie klingt jetzt ermüdend; unſern Wollautsanforderungen gegenüber erſcheint dem Ueberſetzer eine leichte Aenderung geboten. Aber nicht die Ausführung im einzelnen iſt (mein' ich) der Hauptvorzug unſeres Gedichtes, ſondern mehr die geiſtvolle Anordnung des Stoffes. Zur Beurteilung derſelben lade ich nunmehr den Leſer ein, indem ich unten S. 51 ff. eine möglichſt getreue, hoffentlich aber lesbare Ueberſetzung eines großen Theiles, zu einem Bilde des ganzen Gedichtes durch eingeſchaltete Inhaltsangaben des Reſtes ergänzt, zu bieten wage. Die Veröffentlichung dieſes Uebertragungsverſuches, welcher das von Horaz vorgeſchriebene neunte Jahr längſt überdauert hat – doch ohne der Gegenſtand ſteter Feile geweſen zu ſein, entſchuldige ich damit, daſs die Zriniade bis jetzt in Deutſchland ſo gut wie unbekannt zu ſein ſcheint; ob eine Verdeutſchung des ganzen Epos heutzutage Glück machen würde, erſchien mir zweifelhaft.

Die Nachahmung Virgils und Taſſos tritt gleich im Eingange auffallend hervor, nicht minder der Catholicismus des Dichters. Die vier erſten Geſänge bilden die Grundlage des ganzen. Wir ſehen (wie Toldy l. l. II, S. 8 f. mit Recht urteilt) wie der Dichter ſeinen Gegenſtand dadurch zur Höhe des Epos erhebt, daſs er ihn zum Ausdruck einer auf die ganze Nation einwirkenden großen moraliſchen Idee macht. Es iſt eine von Gott angeordnete Züchtigung eines reichbegabten, aber in Sünden verſunkenen Volkes. Darum kann ſie nur durch außergewöhnliche Mittel ins Werk geſetzt werden: Himmel und Hölle werden erregt und auch das ſpäter im Gedichte auftretende wunderbare zanh voraus motiviert. Allmählich werden wir auf den Schauplatz der künftigen Kämpfe geführt: zwei Feſtungsſtürme von verſchiedenem Erfolge, die Schilderung der beiden Hauptträger der Handlung Zriny und Soliman bereiten uns würdig vor. Die Theilnahme ſteigert ſich mehr und mehr durch Bilder aus dem Waffenleben zu Sigeth wie im Türkenlager. Eine große Reihe von Helden beiderſeits mit oft überraſchender Anlehnung an die Geſchichte wird uns vorgeführt; Zrinys Anreden an die gefallenen Streiter, an ſeinen (nach des Dichters Annahme in der Feſtung befindlichen) Sohn Georg, die ritterliche Behandlung der gefangenen – ſind eine Reihe lebendiger, für das nachfolgende wirkſamer Züge, ebenſo wie die Verwirrung, welche einmal durch Irrthum der bloße Name Zriny im feindlichen Lager anrichtet. Doch ſtören den aufmerkſamen Leſer hie und da Flüchtigkeiten, wie die mehrmalige wenig verſchieden gefärbte Anrede an den jungen Georg, und ähnliche Wiederholungen.

Geſang 5–13 bilden dann den eigentlichen Rumpf des Gedichtes: zunächſt die Vorbereitungen zum Widerſtande in Sigeth, die Schilderung der Hauptleute wie der muthvollen Mannſchaft, der gegenſeitige Treuſchwur, ſodann die Uebergabe und der Ungarn geziemende Antwort. Ich überlaſſe dem Leſer die Analyſe der nun folgenden vielfach fich verwickelnden Kämpfe mit ihren intereſſanten Einzelgemälden und Epiſoden, ſowie die Zurückführung des etwa nachgebildeten auf ſein Muſter; der Kenner der Urbilder glaubt bald von Niſus und Euryalus zu leſen, bald Michaëls weißagende Worte an Gottfrid und ähnliche zu vernehmen. Die beiden letzten Geſänge machen den Schluſs aus. Die Ungläubigen ſtehen natürlich mit teufliſcher Zauberei im Bunde und benutzen ſie als letztes Mittel; dem Epos entſprechend muſs dieſelbe in ſichtbarer plaſtiſcher Weiſe bekämpft und beſiegt werden. Dieß geſchieht durch Fngelslegionen unter Gabriel, während Zriny mit dem Reſte der ſeinen im letzten Ausfall den grimmen Demir Hám und nach ihm Soliman ſelbſt mit eigener Hand tötet und mit ſeinen Helden fällt.

Dieſe letzte ſtarke Abweichung von der Geſchichte mag im erſten Augenblicke ſehr auffallen. Allerdings erzählt uns der Dichter in der Vorrede zu dem Gedichte, daſs kroatiſche und italieniſche Chroniken, ja ſogar eine türkiſche Sage ſelbſt den Sultan von der Hand Zrinys erlegt werden laſſen (Toldy I, 173); aber dieß hat freilich, nachdem die kritiſche Geſchichte die Thatſachen geklärt – und das war ſchon vor 1650 der Fall – für uns hier nicht viel mehr Bedeutung, als wenn in einer gleichzeitigen Reimchronik umgekehrt ſogar Zrinys Heldenende in den Tod auf dem Krankenbette während des letzten Sturmes verwandelt wird. Die Hauptfrage iſt die, ob der Dichter künſtleriſch berechtigt war, dieſe Form der Sage zu wählen; er war es in der That, ja. der Epiker (möchte man ſagen) hätte dieſen Schluſs erfinden müſſen, wenn er die Aufgabe des ungariſchen Helden als eines wahren Befreiers der Chriſtenheit würdig ergänzen und der Bewunderung ſeines Opfertodes die Beimiſchung der Bitterkeit entziehen oder erſparen wollte.

Gegen das Epos überhaupt iſt vom Standpunkte des Kunſtrichters aus wol wenig einzuwenden. Es beobachtet die architektoniſchen Regeln, in ſofern es von bedeutendem – aber überſichtlich geordnetem Umfange iſt; die plaſtiſchen, in ſofern es ganze und volle Geſtalten giebt; die maleriſchen mittels klarer – oft durch Gleichniſſe gehobener Anſchaulichkeit. Der Gegenſtand iſt eine fertig vor des Dichters Auge liegende, der Erinnerung der Nachwelt würdige Begebenheit. Der Held des ganzen zeigt körperliche Kraft, Muth, Beharrlichkeit, Frömmigkeit; er tritt in den Vordergrund als Vertreter ſeiner Nation, Welche zugleich in ganzer Breite neben ihm handelt und an den meiſt treuloſen, öfter planlos handelnden Türken ein Gegenbild findet. Epiſoden bieten willkommene Abwechſelung und ſchöne phychologiſche Gemälde der Liebe, Treue, Freundſchaft. Endlich zeigt ſich dem inneren Auge der Phantaſie eine jenſeitige Welt, die in kindlicher Weiſe zur Rettung und Hülfe wie zu Ausmalungen herangezogen und in unmittelbare Beziehung zu Gedanken, Worten und Werken der Menſchen geſetzt wird.

Dennoch befriedigt uns heutzutage ſolche poetiſche Verherlichung eines unſrer Zeit verhältnismäßig noch naheſtehenden geſchichtlichen Ereigniſſes nicht in dem erwarteten Grade. Dem claſſiſchen Muſter zuliebe erſcheint mancher Ungar minder tapfer (vgl. unten S. 90). Unſere veränderte Denkweiſe nimmt an der Einführung eines Zauberers und ſeiner Beſchwörungen Anſtoß, da wir uns nicht zum Glauben an die Wirklichkeit dieſes Ereigniſſes zwingen können, während wir die Haupthandlung als eine geſchichtliche empfinden. Das heranziehen der antikmythologiſchen Geſtalten des Cupido, der Alekto in ein chriſtliches Lebensbild ſtört uns hier ebenſo wie bei Taſſo und Camoens. Hierzu kommt noch, daſs der (wie wir oben ſahen) eifrig katholiſche Dichter, während er des Proteſtantismus ſeines Helden nirgend gedenkt, mehrfach die Glaubensſpaltung des Ungarvolkes als eine Sünde bezeichnet und ſich hier für Erfaſſung eines nicht unweſentlichen Momentes unfähig erweiſt. Endlich aber – und dieß wäre ein Hauptgrund – faſst unſre allzuwenig objective Zeit mit Vorliebe das tragiſche in einem erſchütternden Ereigniſſe auf und hat dem Epos im allgemeinen ſeine Gunft mehr und mehr entzogen.

Es War gewiſs ein glücklicher Griff, daſs der jugendliche Theaterdichter zu Wien Theodor Körner, der talentvolle Schüler Schillers, zum Gegenſtande des erſten Trauerſpiels, das er in Angriff nahm, grade Zriny wählte. Sein Werk iſt in aller Händen; dennoch glaube ich eine kurze Inhaltsüberſicht zur Rückerinnerung: hier einfügen zu ſollen.

Der erſte grundlegende Act ſpielt theils in Belgrad theils in Sigeth. Dort wird uns der gealterte Soliman vorgeführt, im Geſpräche mit ſeinem Leib arzte, der ihm auf befragen noch zehn Lebensjahre in Ausſicht ſtellt, wenn er ſich ſchone, und ihn ſo ermunr tert wenigſtens noch Ein kriegsſturmerfülltes zu hoffen; im Geſpräche ferner mit dem Großweſfir, dem er als heißen letzten Wunſch Wiens Erſtürmung nennt. Im Kriegsrathe zeigt ſich verhaltene Furcht vor Zriny; grade das beſtimmt den launiſchen Despoten, ſtatt des eben beſchloſſenen Zuges den vielleicht unnöthigen Umweg über Sigeth zu nehmen und deſſen Befehlshaber zu züchtigen. In Sigeth erfährt man, wem es gelte; neben dem ruhiggetroſten Zriny erſcheinen ſein heldenhaftes Weib Eva und ſeine von keimender Liebe zu dem Heldenjünglinge Lorenz Juranitſch erfüllte Tochter Helene. Dieſer bekennt auch ſeinerſeits ſeine Liebe, er iſt voller Kampfesmuth und Hoffnungen auf Sieg und Glück.

Der 2, Aufzug ſpielt nur in Sigeth. Während die Frauen über die Liebeshoffnungen ſich unterreden, zeigt Zriny volle Erkenntnis der Gefahr. Juranitſch kehrt als Sieger über Mehmeds Scharen heim und erhöht den Muth, während andrerſeits ein kühler Brief Kaiſer Maximilians, der ſich bei Raab verſchanzt, die Hoffnungen zwar vernichtet, dagegen Zrinys vollen Opfermuth erregt, dem auch Weib und Kind entſprechen; Helene wird durch Juranitſch zu gleicher Höhe der Geſinnung emporgehoben. Schon laſſen des Feldherrn ſtrenge Befehle und der Schwur, den er leiſtet und for dert, das Gefühl der Todesweihe ſpüren.

Der 3, Act zeigt uns wiederum die Wirkung des geſchehenen zuerſt im Türkenlager, ſodann bei Zriny. Die Fruchtloſigkeit der Sturmangriffe entmuthigt die Ungläubigen, erregt des Sultans Despotenlaune immer heftiger. Ein gefangener Ungar wird vor ihn geführt; Soliman kann dieſem durch nichts bezwingbaren Stolze des Feindes die Achtung nicht verſagen, zeigt aber gleich darauf, wie wenig er ſolche freie Heldennaturen verſteht: er befiehlt den Verſuch, was ſich bei Zriny, deſſen Sohn angeblich gefangen worden, durch Anerbietungen oder Drohungen ausrichten laſſe. – Indeſſen wird in Zrinys Kriegsrath erwogen, ob man die Neuſtadt ſchon opfern müſſe; ſo ſehr ſich auch die Menſchlichkeit dagegen ſträubt, die kriegeriſche Nothwendigkeit gebietet es. Ein kurzes Selbſtgeſpräch zeigt den Widerſtreit auch im Herzen des Helden. Die gegen des Kaiſers Läſſigkeit erhobenen Anklagen ſeiner getreuen weiſt er edlen Sinnes zurück. Der türkiſche Unterhändler erſcheint; er ſpricht zwar ſeinen Auftrag aus, erkennt aber bald, daſs ſelbſt die dem Sohne Zrinys gedrohten Martern den Vater vom Pfade der Pflicht zu verlocken nicht im Stande ſind, ja daſs alle Bewohner Sigeths – auch die Frauen – mit Freuden dem Opfertode entgegenſehn.

Der 4. Aufzug nähert uns der Kataſtrophe bis um einen Tag, während zugleich der Tod Solimans noch einmal Hoffnungen weckt. Der greiſe Sultan iſt aufs äußerſte ergriffen durch die Erfolgloſigkeit aller Schritte; die Eroberung der Altſtadt, wobei auf einen Ungarn 10 Türkenleichen kamen, genügt ihm ſo wenig als die jetzt gemeldete Einnahme der Feſtung Gyula. Hamſa Beg büßt mit dem Tode; der Sultan verlangt Sturm, und zwar immer wüthender, je mehr man ihm zur Schonung zuredet; die Kunde der jüngſten Niederlage bringt ihm plötzlichen Tod. Der Gegenſatz zwiſchen dem an ſklaviſchen Gehorſam gewöhnten Despoten, deſſen Drohbefehle dennoch den Sieg der ſeinen nicht bewirken können, und dem menſchlich milden Chriſtenhelden, dem ſich alle zum freiwilligen Tode anſchließen und dadurch ſiegen, iſt von großartiger Wirkung. – Die drei türkiſchen Würdenträger vereinigen ſich, den Tod Solimans bis zur Erſtürmung der Feſte zu verheimlichen, dann aber mit Aufgebung aller weitern Pläne nach Stambul zurückzukehren. – In Sigeth wird es inzwiſchen offen ausgeſprochen, daſs die Burg ſich nur noch einen Tag halten kann; die Frauen ſollen fliehen – ſie wollen bleiben. Von des Sultans Tode hat keiner eine Ahnung. Auch das Türkenheer nicht, ſonſt zöge es ſofort ab; ſo ſehen wir das grauſe Ende ganz vor uns, obwol wir zugleich wiſſen, daſs Wien und die Chriſtenheit vom weitern vordringen der Ungläubigen erlöſt ſind.

Der fünfte Aufzug bringt des Grafen Schmückung zum letzten Gange, getreu der Ueberlieferung, die Familie im letzten Abſchiede, die Helden um den Führer verſammelt. Helene will den ohnehin gewiſſen Tod am liebſten durch die Hand ihres geliebten ſterben; nach ſchwerem Kampfe erſticht ſie Juranitſch[19]. Dann eilt er dem Zuge mit der Fahne voran, Ausfall der fünfhundert, Zriny fällt – in demſelben Augenblick ſchleudert Eva die Fackel in den Pulverturm.

Es iſt wol ein ſeltener Fall, wenn ein 21jähriger Dichter gleich in dem erſten Verſuche eines großen heroiſchen Trauerſpiels, nachdem er ſich bisher nur in ſcherzhaften Dramen geübt, ein völlig tadelfreies Werk liefert; es liegt daher nahe, ohne Anlegung eines allzu ſtrengen Maßſtabes zu prüfen, ob ſeine Tragödie den Erwartungen der Kunſtrichter wie der Kenner der Geſchichte entſpricht. Im allgemeinen wird man dieſe Frage bejahen können. Der Dichter hat ſich gehütet, die Wirklichkeit ſchlechthin nachzuahmen und insbeſondere den Schluſs mit verhältnismäßig geringer Aenderung in einen wahrhaft tragiſchen umgeſtaltet: ſo daſs alle mit Zriny fallen, bei der Entzündung des Pulverturms der bloße Zufall ausgeſchloſſen wird und der freien That des Helden eine freie That ſeiner nicht minder heldenmüthigen Gattin zur Seite tritt. Er hat die Momente der Handlung mit Motivierung auseinander folgen laſſen, Zriny überall als Haupthelden hingeſtellt, in einer Handlung, welche einheitlich zu Einem Zwecke hinſtrebt. Die Peripetie findet gegen Ende des 4. Actes ſtatt; gleich wol bleibt der aufmerkſame Zuſchauer noch in einer gewiſſen Spannung, ob nicht im letzten Momente ein Bote des Kaiſers oder die Kunde Von Solimans Tode das gräſsliche verhindert, dem Wir doch mit einem gewiſſen bangen Verlangen entgegenſehn; denn auch die ariſtoteliſche Regel, daſs die Tragödie Furcht und Mitleid erregen und dieſe Affecte reinigen müſſe, daſs die niederdrückende Empfindung ermäßigt und in eine gehobene Stimmung gewandelt werden ſoll, finden wir vollkommen beachtet.

Es muſs auch zugegeben werden, daſs Zriny aus einem Conflicte, in den er geräth, ſiegreich hervorgeht – es iſt der Widerſtreit zwiſchen der Verpflichtung zu rückſichtsloſer ſoldatiſcher Strenge und ſeiner natürlichen, ganz beſonders jetzt beim Liebesfrühling der Tochter hervortretenden Milde und Güte; zwiſchen dem ſo natürlichen Verlangen, nicht nur den Frauen, ſondern vor allem ſeinem gefangenen einzigen Sohne den qualvollen Tod zu erſparen, mit dem fein ganzes Geſchlecht unterzugehen drohte, und anderſeits der ſtrengen Pflicht der Ehre, auszuharren auf dem Poſten bis zum letzten Augenblicke. Ob es freilich ein Hegelſcher Conflict zwiſchen zwei vollkommen gleichberechtigten Tendenzen iſt, wollen wir hier nicht unterſuchen.

Was ſoll ich viel reden von der trefflichen Zeichnung der durchweg unſer tiefſtes Mitgefühl erweckenden Charaktere: der dem Gatten völlig ebenbürtigen Eva, der nur im Anfange gar zu weichen Helene, des her lichen Jüngling Juranitſch; des alten Paprutowitſch, der ſich auch wol einen freimüthigen nur zu berechtigten Tadel über den Kaiſer erlaubt; des kernhaften Vilaki, des beſten, der dem greiſen nur Sklaven gewohnten Despoten gegenüber geſtellt werden konnte. Und nun endlich die faſt durchaus Schilleriſch uns anmuthende ſchöne, reiche, kräftige Diction, ſowie (was ſich bei dem Theaterdichter von ſelbſt verſtand) die verſtändige Rückſicht auf die Forderungen und Mittel wirklicher Aufführung – es iſt durchaus büh nengerecht.

Hier ſind wir gleichwol geneigt, noch andre Fragen aufzuwerfen, zunächſt: wie verhält ſich nun Körners Darſtellung zur wirklichen Geſchichte? ſind ſeine Abweichungen von derſelben alle berechtigt? iſt er ihr etwa zum Schaden der dramatiſchen Wirkung an unrechter Stelle treu geblieben? Fragen, die begreiflich je nach dem Standpunkte des antwortenden ſehr verſchieden erwidert werden können. Man weiß beiſpielsweiſe, wie ſtreng Schiller über Göthes Egmont urteilte; manchen gilt es aber auch für erwieſen, daſs die geſchichtliche Jungfrau von Orleans noch geeigneter iſt, unſer volles Mitgefühl in Anſpruch zu nehmen als die Schillerſche; gleichwie jene um ihres Glaubens willen verfolgte Salzburgerin, deren Schickſale der herlichen Dorothea Göthes zu Grunde liegen, wol eine herlichere Geſtalt abgegeben haben könnte.

Im allgemeinen dürfen wir ſagen, daſs Körner der Geſchichte möglichſt treu geblieben iſt und (im entſchiedenen Gegenſatze zu jenem von ihm gar nicht gekannten romantiſchen Epos) bei dem Leſer den Eindruck hiſtoriſcher Wahrheit erweckt, ohne dem Drama Eintrag zu thun. Daſs er (von dem oben ſchon berührten Schluſſe abgeſehen) dem Grafen Zriny, der allerdings ſeine Gattin in Sigeth bei ſich hatte, gegen geſchichtliches Zeugnis ſo viel ich weiß eine Tochter gegeben und Juranitſch um ſie werben läſst, das beeinträchtigt natürlich die Wahrheit ſo wenig wie alle die einzelnen Züge, Vorkommniſſe, Reden, die der Dichter eben unter allen Umſtänden erfinden muſs, wenn er ein dramatiſches Kunſtwerk ſchaffen will. Anderſeits aber, wie ſtehts mit Solimans Tod? Verletzt dieſer nicht als unmotiviert, als durch Zufall herbeigeführt eine weſentliche Kunſtregel? Hatte nicht der ungariſche Dichter recht, eben deswegen ihn erſt ganz zuletzt durch Zrinys Hand ſterben zu laſſen? Ich meine, Körner hat hier in ſeinem Gefühle das für das Drama richtige getroffen, indem er zwar das weltgeſchichtliche Ereignis feſthielt (das ja auch – wie wir ſahen – den tragiſchen Charakter des Opfertodes nur verſtärken konnte), den Zufall aber in ſofern ausſchloſs, als er Zriny mittel bar als Urſache von Solimans Ende bezeichnet. Wirſehen dieß ganz deutlich aus den erſten Worten des

4. Aufzuges. Aufregungen ſchaden dem alten morſchen Krieger und beſchleunigen ſeinen Tod unaufhaltſam – nichts aber hat ihn ſo aufgeregt, ſo tief erſchüttert, als der Bericht des Großweſirs über die Art, wie Zriny ſeine Anträge aufgenommen und durch Anzündung der eignen Stadt erwidert. Zrinys Antwort tötet Soliman, darum iſt deſſen Tod kein Zufall; Solimans Tod nöthigt das ganze Türkenheer zur Umkehr, darum wird Zriny Retter ſeines Kaiſers.

So weit dürfen wir ſchwerlich einen Tadel erheben. Dennoch iſt Körners Zriny kein Trauerſpiel in der ſchärferen Leſſingſchen Faſſung des Begriffes. Fragen wir vor allem, um welcher Schuld willen, die er auf ſich geladen, ſtirbt denn Zriny? Er ſoll im Drama nur ſo weit hart erſcheinen, als es die ſoldatiſche Nothwendigkeit verlangt – wenigſtens gibt uns kein Wort des Dichters ein Recht, hier ſeine Schuld zu ſuchen. Darum wird der ſtrenge Kunſtrichter eine dieſe Forderung erfüllende Erfindung des Dichters vermiſſen, die ſich immerhin an einen Zug der Sage oder abweichender Berichte anlehnen konnte. So kennt (wie wir oben S. XXIV ſahen) des Türken Selaniki Darſtellung eine Schuld, welche der Held von Sigeth im Tode büßte, die Gaſtrechtsverletzung an dem abtrünnigen Katzianer, den er um des nämlichen Kaiſers willen mordete, welcher ihn jetzt im Stiche ließ. Viel lieber entbehrten wir bei Körner die in der Geſchichtsüberlieferung gottlob nicht beglaubigte wahrhaft grauſame Niedermetzelung der 300 gefangenen Türken, deren wir ebenfalls oben gedachten. Auch in Zrinys Verhältnis zum Kaiſer hat ſich Körner mehrere Motive entgehen laſſen, welche des geopferten Treue um ſo kräftiger ins Licht ſtellen konnten. Aber an dergleichen freilich durfte ein Wiener Dichter nicht denken; und ſelbſt das Was er ſich erlaubte ſchien damals manchen noch zu kühn. Göthe wenigſtens ſchrieb (dießmal als Miniſter und nicht bloß als Dichterfürſt) im November 1812 an Theodor Körners Vater:

Was den Zriny betrifft, über den ſind wir noch nicht einig; in politiſcher und theatraliſcher fiückſicht iſt manches dabei zu bedenken. Es wäre daher wünſchenswerth, wenn man ein Exemplar hälle, wie das Stück in Wien geſpielt worden – gewiſs haben ſie dort manches be dacht, was wir auch bedenken müſſen.

Doch rechten wir nicht länger mit dem Dichter, der eben – auch wenn er es nicht ausſprach – in erſter Linie ein hiſtoriſches Trauerſpiel wollte; ein ſolches erträgt viel eher den umgekehrten Fehler als den, welchen jene oben Schillers Jungfrau von Orleans vorwarfen, ja er hört auf ein Fehler zu ſein. Körners Zriny erweckt unſer volles Mitgefühl – Wenn möglich, da er milder und deutſcher erſcheint, noch größeres als der geſchichtliche, und iſt uns jedenfalls ein theuerwerthes Vermächtnis des früh abgerufenen. Es iſt ein erklärliches Zuſammentreffen, daſs, wie das ungariſche Heldengedicht einen tapferen Krieger zum Verfaſſer hatte, der in Friedensaugenblicken ſich auch den Muſen widmete, ſo unſer deutſches Trauerſpiel von einem Jünglinge gedichtet wurde, der nach dem Ausbruch des heiligen Krieges ſich ſehnte, um ſelbſt zum Schwerte zu greifen und ſich dem Tode für's Vaterland zu weihen.

Am 7. September dieſes Jahres werden die Enkel jener Türkenſieger zu der einſt blutgetränkten Stätte in Sigeth wallend, ſoweit die großen Intereſſen der Gegenwart es zulaſſen, ſich dankbar des vor drei Jahrhunderten geſchehenen erinnern. Auch uns iſt Zriny, der zuerſt und zuletzt von Deutſchen gefeiert wurde, ein wolbekannter Klang geworden, aber nicht zum wenigſten darum, weil mit dem Gedanken an ſeinen Opfertod ſich ſo leicht die Erinnerung an den Heldentod ſeines Sängers verbindet, deſſen 50 jähriges Gedächtnis nun auch bereits ein neues Geſchlecht an der Wöbbeliner Eiche begangen hat – ein Geſchlecht, dem heute erſt die völlige Frucht jener Freiheitskämpfe zntheil werden ſoll.




[1] Urfprünglich als öffentlicher Vortrag zu Gunften der Guſtav Adolfs-Zwecke gehalten, hier mehrfach umgearbeitet.
[2] Eigentlich Zrini, neu-ungariſch Zrinyi, ſprich frinji.
[3] Ungariſch Sziget oder Szigetvár, zu deutſch Inſelburg
[4] Schtanſchitſch
[5] Nödaſchdi.
[6] Ausführlicher beſchreibt dieſe Belagerung Hammer-Purgſtall III, 356 f.
[7] Feſsler VII, 1
[8] An der Nordgrenze Siebenbürgens,"11/2 Meilen von Szathmár. XII
[9] Zwiſchen Nowi und Bihatſch an der Unna, jetzt türkiſch, vgl. unten S. 84
[10] Vgl. unten S. 74.
[11] Vgl. Hammer v. Purgſtall Geſch. d. Osm. Reichs III, S. 439.
[12] Siclohof S. 28 iſt wol Verſehen des Chroniſten.
[13] So berichtet der türkiſche Augenzeuge Selaniki nach v. Hammer-Purgſtall III, 452.
[14] Man hatte es wieder aufgebaut, aber ſelbſt heute zählt es höchſtens 2–3000 Einwohner und läſst ſeine frühere Bedeutung kaum ahnen.
[15] So Rattkai bei Hormayr und Mednyänßki, Taſchenbuch für 1821, S. 361.
[16] Ich verweiſe ſtatt alles andern auf die von Paul Lichner neuerdings herausgegebenen Tagebücher eines Pogner und Lieber gott über die Verfolgungen der Evangeliſchen zwiſchen 1672–1683 Presburg 1861, und das verwandte Buch desſelben Herausgebers Burti Micae, ibid. 1864.
[17] Hormayr l. l. S. 388. Feſsler IV, 324.358.
[18] Hammer-Purgſtall III, S. VI, ohne näher darauf einzugehen.
[19] Der oben S.

VII genannte Reimchroniſt von 1566 berichtet ausdrücklich, daſs nicht wenige der hart bedrängten Helden ihre Frauen töteten, damit dieſe nicht lebend in der Ungläubigen Hände kämen. Die ſchrecklichen Dinge, welche Hoſsmann von den überlebenden erzählt, ſcheinen ſolche That nur zu ſehr zu rechtfertigen.

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Excerpts from reports about events near Sisak in 1593

Source:  Spomenici hrvatske Krajine: Od godine 1479 do 1610, Volume 1, edited by Radoslav Lopašić https://books.google.ca/books?id=tHLvuERLU...