Saturday, November 10, 2018

Hassan Elkjäfi "über die Art und Weise des Regierens".


ILLYRISCH-ALBAMSCHE
FORSCHUNGEN
ÜNTEB MITWIRKUNG VON PROFESSOR DR. KONSTANTIN JIRECEK,
PROFESSOR DK. MILAN VON SUFFLAY, SEKTIONSCHEF THEODOR
IPPEN, PROFESSOR E. C. SEDLMAYR, ARCHIVAR DR. JOSEF IVANIC,
WEILAND EMMERICH VON KARACSON, K. UNO. SEKTIONSRAT BELA
PECH UND KARL THOPIA
ZUSAMMENGESTELLT
VON
Dr. LUDWIG VON THALLÖCZY.
I. BAND.
MIT EINER LANDKARTE.
VERLAG VON DUNCKER & HÜMBLOT
MÜNCHEN UND LEIPZIG
1916.


Eine Staatsschrift des bosnischen Mohammedaners
Molla Hassan Elkjäfi „über die Art und Weise des Regierens".

A state book of the Bosnian Mohammedan
Molla Hassan Elkjäfi "on the way of governing".

Von Emmerich v. Kardcson und Dr. Luswig v. Thalloczy.



Der bekannte ungarische Orientalist und Historiker weiland Dr. Emmerich von Karacson fand in Konstantinopel in der Bibliothek der Bajazid-Moschee eine bisher unveröffentlichte Staatsschrift des in Ak-Hissar (Bezirk Bugojno in Bosnien) geborenen Mollas Hassan Elkjafi.

Karacson übersetzte — mit Hinweglassung der Koranparaphrasen — dieses wirklich interessante Memorandum ins Ungarische und versah seine Arbeit (Budapest, 1909. Ausgabe des St. Stephan-Vereins) mit Kommentaren.

Die Übersetzung ist mit dem Original genau verglichen und halt sich getreu an den Text. Es ist überflüssig zu bemerken, daß diese Staatsschrift sowohl in historischer wie in staatspolitischer Beziehung eine ganze Fülle von interessanten Details bietet und lehrreiche Streiflichter auf die türkischen Verhältnisse wirft.
- Thalloczy.

Das türkische Reich, erreichte unter der Herrschaft des Siegers von Mohacs, Sultan Soliman, den Höhepunkt seiner Macht. Damals aber begann auch sein Niedergang, dessen erste Erscheinungen sich gleich im ersten Jahrzehnt nach dem Tode dieses großen Regenten zeigten.

Auf diese ersten Anzeichen des Verfalles wies schon 1596 die Egerer (Erlau in Ungarn) Denkschrift Hassan Elkjäfis hin, die Jahrzehnte hindurch nicht nur bei uns und überhaupt im Okzident, sondern, wie es scheint, auch im Orient den Geschichtsschreibern völlig unbekannt war.

Molla Hassan Elkjafi wurde noch zu Lebzeiten Sultan Solimans zu Ak-Hissar in Bosnien geboren. Er betrieb theologische und juridische Studien, und legte über die letztern die


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höchste Prüfung ab — daher sein Titel Molla, was nach den
heutigen Begriffen ungefähr dem Doktor juris entspricht. Einen
großen Teil seiner öffentlichen Tätigkeit brachte er in der richterlichen
Laufbahn zu und kam zuerst an die Seite des bosnischen
Kadi Bali Effendi. Im 986. Jahre der Hedschra (1578) wurde
er zum Lohn für seine Verdienste Mülasim (Richter-Stellvertreter).
Zwanzig Jahre weilte er in der Hauptstadt Konstantinopel als
Beamter. 159b' nahm er im Gefolge Sultan Mohammeds III. am
ungarischen Feldzug teil, und war bei der Einnahme von Eger
(Erlau) und bei der Schlacht von Mezökeresztes zugegen. Später
wurde ihm die Verwaltung seiner Heimat, des Bezirks Ak-Hissar,
übertragen, und dort starb er 1616. ]
Er war ein Mann von außerordentlichem Wissen und
frommen Lebenswandel ; 30 Jahre lang soll er eine solche Selbstverleugnung
bewiesen haben, daß er nur alle drei Tage Speise
zu sich nahm. Er hat zahlreiche theologische und juristische
Schriften verfaßt." Vom Standpunkt des Historikers ist jene kurze
Denkschrift — insbesondere da sie auch die Ereignisse in Ungarn
berührt — für uns interessant, die er 1596 gelegentlich der
Einnahme von Eger schrieb.
Bei der Einnahme von Eger war nur der arabisch geschriebene
Entwurf der Denkschrift fertig, den er in Eger jenen
Mitgliedern des türkischen Staatsrats unterbreitete, die im Gefolge
des Sultans daselbst anwesend waren. Die Wesire und Räte
stimmten dem Entwurf bei und hießen ihn gut, und über ihre
Anregung übersetzte er nach seiner Heimkehr nach Bosnien sein
Werk in das Türkische, oder vielmehr, er überarbeitete es in
türkischer Sprache, indem er die Egerer Ereignisse hineinflocht.
In dieser Form legte er es, wie aus dem Inhalt hervorgeht, dem
Sultan vor.

1 Die biographischen Daten stammen aus dem Vorwort der Kopie
der Handschrift Molla Hassans, die nach dem Tode des Verfassers angefertigt
wurde.
"- Diese islamitischen theologischen und juristischen Werke habe
ich nicht durchforscht, ja überhaupt nicht gesucht, da sie keinen historischen
Wert besitzen.

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Auf die Konstantinopeler Handschrift hat eine spätere Hand
den Titel geschrieben : Tarikh-i szefer-i Egri ; das ist zu deutsch
:
Geschichte des Egerer Feldzuges. Und doch erzählt die Handschrift
nicht einmal Einzelheiten des Feldzuges. Vielmehr bot
die Einnahme von Eger dem Verfasser nur den Anlaß, die Fehler
der türkischen Regierung aufzudecken und Ratschläge zur Behebung
der dem Staate anhaltenden Gebrechen zu erteilen. Er
hatte sein Werk auch gar nicht Geschichte des Egerer Feldzuges
benannt, sondern ihm den Titel: „über die Art und Weise
des Regierens" gegeben.

Wie Macchiavelli in seinem Buch „II principe" für die
Fürsten die Grundsätze der Regierung beschrieb, so zählt Molla
Hassan Elkjafi in seiner Denkschrilt die Pflichten der Herrscher
auf. Aber seine Denkschrift ist tendenziös, wie etwa Montesquieus
„Lettres persanes". Er stellt die Bedingungen der guten
und richtigen Regierung des Staates dar und leuchtet dabei
scharf die türkische Regierung heim, bei der in allem gerade das
Gegenteil von dem geschah, was er als Erfordernis einer guten
Regierung erkannt hatte. Und indem er scheinbar rein theoretisch
die Anzeichen des beginnenden Verfalles eines Staates beschreibt,
gibt er in Wirklichkeit ein Bild von dem damaligen Zustande
der Türkei.

Hammer ' und nat-h ihm die übrigen Orient-Historiker halten
für die beste und verläßlichste Quelle über die Ursachen des
Niederganges des türkischen Reiches die Schriften Kodschi2 Begs
aus der Zeit des Sultan Murad IV. (1632). Die Denkschrift Hassan
Elkjäfis kannten sie nicht und doch sah das scharfe Auge gerade
dieses bosnischen Schriftstellers schon sechs Jahre nach dem Tode
des Sultans Soliman den Unterschied der Zustände in der Türkei
vor und nach der Regierung Solimans. Er war der erste, der
1 flammer-Purgsfcall, Geschichte des osnianischen Reiches. Pesth,
1840. IL S. 349.
- Eine ungarische Übersetzung des Werkes Kodschi Begs erschien
im zweiten Band der „Türkischen Historiker" (Török törtenetirök) in der
Übersetzung Joseph Thurjs (Budapest, 180G. Ausgabe derk. ung. Akademie).
Eine türkische Ausgabe erschien löijl im Druck. Ebenso existiert eine
deutsche Übersetzung schon lange.
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den Niedergang und den inneren Verfall der Türkei schon damals
erkannte, als sie noch im vollen Ansehen ihrer Macht in Europa
stand, Furcht und Schrecken verbreitete und die Eroberungen,
insbesondere in Ungarn, noch weiter ausdehnte.

Diese türkische Denkschrift behandelt die von der arabischen
Philosophie über die Regierung der Staaten aufgestellten Maximen
in klarem System und leicht verständlicher Sprache. Sie stützt
sich dabei auf geschickt zusammengestellte Zitate aus dem Koran
und aus den orientalischen Schriftstellern, sowie auf treffende
Beispiele aus der Geschichte der morgenländischen Völker.
Zur Erläuterung und Bekräftigung beruft sich ihr Verfasser
ununterbrochen auf die Ereignisse seiner Zeit, insbesondere in
seiner engern Heimat Bosnien und an den kroatischen Grenzen.
Er klagt über die damalige Teuerung - im Verhältnis zu den
früheren Zeiten, über die Indisziplin und die Erpressungen der
Soldaten. Über die damaligen Zustände und sozialen Verhältnisse
schreibt er an einzelnen Stellen ganz so, wie ein moderner Autor.
Mit einzelnen Worten, die er gelegentlich lallen läßt, liefert er
uns kulturgeschichtliche Daten : so erwähnt er beispielsweise die
Kaffeehäuser als etwas neues, damals in Entstehung begriffenes,
und fordert, daß sie von Soldaten nicht besucht würden ; an einer
anderen Stelle bemerkt er, daß in Kroatien und Bosnien den
feigen Kämpfern Frauenkleider zum Geschenk gemacht wurden.
Da er bei der Einnahme von Eger und bei der Schlacht
von Mezökeresztes zugegen war, weist er auch wiederholt auf
diese Kämpfe hin und preist mit echt orientalischer Phantasie
den Sieg der Türken bei Mezökeresztes als etwas so großes, daß
„man bis zum jüngsten Tage unter den Menschen davon reden
wird". Er erwähnt die antitürkische Politik des siebenbürgischen
Fürsten Sigismund Bäthory und gibt der Pforte zur Vermeidung
der Wiederholung solcher Vorkommnisse den unmöglichen Rat,
für Siebenbürgen, weiterhin für die Moldau und Walachei türkische
Begs an Stelle der christlichen Fürsten, bezw. der Woiwoden
zu Gouverneuren zu ernennen.
Der Verfasser war ein eifriger muselmanischer Patriot und
hoffte, dal.) mit der Thronbesteigung Mohammeds III. — da dieser
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die Feste Eger erobert hatte — eine neue Zeit, ein neuer Kurs
beginnt, der den. Auflösungsprozeß der Türkei zum Stillstand
bringen würde. Er empfahl hiezu in seinem Werk Maßnahmen,
deren Verwirklichung die Türkei erst heute, seit den allerletzten
Ereignissen in Angriff genommen hat.
Insbesondere für Bosnien beweist die Denkschrift, daß die
Wurzeln der Unordnung in der Verwaltung dort dreihundert
Jahre zurückreichten und daß auch trotz der Vorstellungen, die
in der Egerer Denkschrift gemacht wurden, die türkische Regierung
die Behebung der Mißstände versäumte, wie dies die
spätem Ereignisse beweisen und was schließlich im letzten Viertel
des vorigen Jahrhunderts die Intervention des benachbarten Österreich-
Ungarns, respektive die Verwaltung und Übernahme der
ganzen Provinz durch dieses notwendig machte.
Den Text der Denkschrift teile ich hier zugleich mit den
nötigen Erläuterungen mit
:
Im Namen Allahs des Gnädigen und Barmherzigen .'
Lob sei dem mächtigen Helfer., mit dessen Hilfe
Die Streitmacht des Glaubens gesiegt bat und der Unglaube besiegt wurde!
Heil und Gross dem Propheten Allahs.
Der seine grossen Wunder hierin bezeugt hat,
Auch seinen Genossen und seiner ruhmreichen Heimat,
Weil er mit diesen zusammen die Säule des heiligen Gesetzes wurde.
Dies ist die Zeit, in der der Schatten Allahs, der Padischah,
der Sultan der Sultane von Rum, 1 Arabien, Adschem, 2
der Khagan der über die Völker herrschenden Khagane, der
Eroberer der Burg der ungarischen Ungläubigen, der Schlichter
der Zwietracht unter den russischen und siebenbürgischen Unzüchtern,
die feste Säule der Zeit und der Erde und der erhabenste
unter den Sultanen des Hauses Osman, der Einzige
der osmanischen Periode, der zweite Vater der Eroberung, 3 der
1 Unter Rum oder römischer Boden verstehen die alten türkischen
Schriftsteller die ganze Balkanhalbinsel.
- Adschem = Persien.
3 Die Türken nannten Mohammed IL, den Eroberer von Konstantinopel,
Ab-ul-feth, d. i. Yater der Eroberung. Hier spielt der Autor auf
die Eroberung von Egrv — Erlau in Ungarn an.
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siegreiche Sultan Mohammed 1 Khan, der Sohn Sultan Murads, des
Sohnes Selim Khans, des Sohnes Sulejman Khans, — möge Allah
sein Kalifat und sein Sultanat bis zum Ende aller Zeiten erhalten
! — mit Glück, Ruhm und Heldenmut den Erlauer Feldzug
2 unternahm.
Ich, der mit voller Hingabe für ihn bete, bin ihm auf dem
erwähnten Feldzug mit der Absicht gefolgt, ihm im Glaubenskampf
zu dienen und an seiner Statt zu beten. Und bei jenem
glänzenden Sieg, auf dem großen Schlachtfeld, im gesegneten
Kampf war ich zugegen und habe gebetet.
Lob und Preis sei Allah : als ich vorher in Ak-Hissar in
stiller Einsamkeit, unter Reflektionen von der Welt zurückgezogen
lebte, schrieb ieh über die Ordnung der Welt ein nettes
kleines Buch, während dieses gesegneten Feldzuges aber zeigte
und unterbreitete ich es den gelehrten Ulemas der kaiserlichen
Umgebung, den Großwürdenträgern des Reiches, den ruhmreichen
Wesiren, den Mitgliedern des Diwan. Da sie ihm alle zustimmten,
und es guthießen, wurde es zufolge dieser ihrer Zustimmung in
die türkische Sprache übersetzt, da sie der Meinung Ausdruck
gaben, daß seine Unterbreitung 3 vorteilhaft sein werde.
Mit Gottes Hilfe wurde das Buch in türkischer Sprache
verfaßt und erläutert und ich habe es in sehr klaren und einfachen
Ausdrücken niedergeschrieben. Die Umgebung des Sultans
und die Mitglieder des Diwan können mit Leichtigkeit daraus
Nutzen ziehen, und wenn sie demgemäß handeln, werden sie in
dieser Welt mit Gottes Hilfe erfolgreiche Arbeit, wohltätige
Klarheit und Segen schaffen.
Lob und Dank Dir Allah, der Du in Wahrheit der König
der Könige bist, und dem Länder schenkst, den Du auserwählst,
1 Mohammed III.
2 In der Handschrift: JUO;^a.j o^V-£ <V»^.ä^ ^5^1 Den Krieg
des Jahres 1596 nennen die türkischen Historiker Egerer Feldzug, weil
dessen wichtigster Erfolg die Eroberung von Eger war. S. Naima, Tarikh [.
Seite 139 der Konstantinopeler Ausgabe 1863.
Meine Absicht ist, ihn zu lobpreisen,
Vielleicht wird nieine Schrift lobwürdig, wenn ich ihn beschreibe.
3 Er unterbreitete das Werk dem Sultan.
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und sie dem nimmst, dem Du willst! Heil und Segen Dir Mohammed
dem Propheten, dem Obersten der Propheten
!
Erhabener Gott ! hilf Deinem Knecht aus Ak-Hissar bei
seinem Werk, denn er bedarf Deiner Hilfe, und bewahre ihn
vor Schande.
Die im Jahre 1004 1 nach der Flucht des Propheten in
der Ordnung der AVeit eingetretenen Störungen und die in den
Angelegenheiten der Menschen, insbesondere im islamitischen
Reich sich zeigenden Übelstände und Wirrsale möge Allah abwenden
und den islamitischen Ländern zur Wohlfahrt verhelfen
bis zum Tag der Auferstehung.
Als ich hiefür eines Nachts die im Sünnet'-' vorgeschriebenen
Gebete verrichtete, wandte ich mich in meinem Herzen
zu Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, um den
Grund dieser Wirrsale zu erfahren. Und durch die Eingebung
der Gnade des erhabenen Gottes gelang es mir auch, diesen
zu erkennen. Allah der Gerechte wendet seine Gnade niemals
von einem Volk, solange die Taten dieses Volkes sich nicht in
eitle Taten verwandeln, und solange das Volk die Gerechtigkeit
in allen seinen Taten bewahrt.

Seit zehn Jahren, ja sogar schon seit längerer Zeit wende
ich meine Aufmerksamkeit den Ereignissen zu. In den seit dem
Jahre 980 3 vorgefallenen komplizierten und verworrenen Vorgängen
habe ich einigen Grund entdeckt.
Erster Grund. Im Verhältnis zu den früheren Zuständen
zeigte sich Lässigkeit in der Übung der Gerechtigkeit, in der
Regierung hingegen Sorglosigkeit. Diese Sorglosigkeit hat zur
1 1596 nach christlicher Zeitrechnung.
- Die Gesamtheit der vom Propheten befolgten Gebräuche, die hei
den Sunniten Gesetzeskraft besitzt. Die Gebräuche sind unter dem Namen
oJL*. bekannt.
3 1572 nach Christi Geburt. Der Niedergang des türkischen Reiches
begann schon in diesem Jahre. Hammer rechnet den Beginn des Niederganges
etwas später, von der Thronbesteigung Murads III. an. Siehe
seine Geschichte des osmanischen Reiches. Pesth, 1840. II. Seite 438.
r>l!
Folge, daß die Regierungsgeschäfte ungeeigneten und unfähigen
Menschen anvertraut werden.
Zweiter Grund. In den Beratungen wurde von der richtigen
Meinung abgewichen, die Vornehmen wurden selbstgefällig und
zogen sich von der Berührung mit den Ulemas und andern
verständigen Leuten zurück, ja wenn von diesen jemand zu
den Beratungen erscheint, sehen sie ihn mit Verachtung an.
Wo ist die Zeit, wo die großen Vorfahren die Ulemas aufsuchten,
um von ihnen die richtige Meinung und die Weisheit
zu lernen ?
Dritter Grund. In der Leitung und Zucht des Heeres
herrscht Sorglosigkeit, als deren Folge in den Gefechten von
den Waffen nicht der rechte Gebrauch gemacht werden kann.
Die Soldaten fürchten ihre Serasker nicht und ehren sie nicht
besonders.
Schließlich ist der letzte Grund aller dieser Gründe die
Bestechlichkeit, die Geldgier und die Sucht nach Weibern, nach
deren Worten man sich richtet.
Als ich diese Gründe erkannt hatte, bat ich unter Tränen
Allah um Hilfe und unter Klagen über die Wirrsale unserer
Zeit, erflehte ich Aufklärung von Allah. Allah gab mir den
Gedanken ein, ein kleines kurzes Buch zu schreiben über die
Ordnung der Welt, ein Büchlein, das nur wenig Worte, aber
in diesen wenigen Worten um so tieferen Sinn enthalten und
bei der Neuordnung der Gesetze der Welt als Wegweiser dienen
solle. Ich fand es zweckmäßig, dies Buch so zu schreiben, daß
es die wahren Worte der Weisen enthalte.
Die Worte der weitblickenden Menschen enthält also dies
Buch, denn ich habe es aus den Schriften der alten Ulemas,
aus den Büchern der Weisen und Großen zusammengestellt. Vor
allem aber aus den Büchern Envar-ül-tensil 1 undRausat-ül-ulema, 2
1 JUvÄjJI ^U-sf (herabgestiegenes Licht). So nennen die Muselmanen
den Koran.
- l^Lxh &*C%J (Garten der Gelehrten). Unter diesem Namen
kommen mehrere arabische Werke vor, und so ist es schwer zu bestimmen,
welches der Verfasser benützt hat.
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weiter aus dem Tefsir-i-Kadi. ' das man auch Envar-i-tensil nennt,
und aus dem Rausat-ül-akhbar,'~ das ein Auszug aus dem Buch
Rebi-ül-ebrar 3-Zakmakhsaris4
ist und auch Rausat-ül-ulema genannt
wird und aus mehrern andern vorzüglichen Büchern
dieser Art.
Möge Allah dies Buch erhöhen und Gnade und Hilfe den
Pcidischalis. Ausdauer auf dem Wege der Standhaftigkeit den
Wesiren verleihen, die Klugen zu Führern machen, den Armen
a!>er Unterstützung und Barmherzigkeit angedeihen lassen.
Die Methode der Regierung 5 nannte ich dies Buch und
schrieb es unter Erläuterung des Buches „Die Ordnung der
Welt" 6 nieder.
Das Buch besteht aus einer Einleitung und vier Kapiteln.
Die Einleitung stellt die Ursachen der Ordnung der Welt dar.
Die Ursache der Ordnung der Welt ist, daß Gott deren
Bestehen so lange will, als es nur Menschen geben wird, d. h.
bis zum Tag der Auferstehung. Die Menschen untereinander
bedürfen gewisser Gesetze, weil sie miteinander viele böse Angelegenheiten
haben, um diese in Ordnung besorgen zu können.
Die Menschen sind nach ihrer Beschäftigung viererlei: 1. Männer
des Schwertes, 2. Männer der Feder, 3. Ackerbauer, 4. Hand-
Averker und Kaufleute. Alle diese beherrscht der Padischah,
Emir oder ein anderer.
Die erste Klasse ist die der Selr/certtragenden. In diese
Klasse gehören die Padischahs, Wesire, Beglerbegs, Begs und
andere solche Führer und Soldaten. Ihre Pflicht ist, den Feind
fernzuhalten, den Frieden und die Ruhe zu bewahren.
1 c^^ w»*v,A-i (Die Erläuterungen des Kadi), der Korankomnientar.
2 >La.ä> jJf &«^0 (Garten der Botschaften). Auch unter diesem Titel
gibt es mehrere arabische Werke.
3 ^L.>jJf f+lj (Frühling der Gerechten).
4 Zamakhsari war ein arabischer Schriftsteller.
5 -vX.-^ J%^f zu deutsch : die Methode der Regierung.
6 friljdf -»Lih-i zu deutsch : die Ordnung der Welt.
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Die zweite Klasse bilden die Männer der Feder, zu denen
die Ulemas, die Gelehrten und die betenden andächtigen Männer
gehören, die zum Krieg nicht geeignet sind, sich aber mit Gebet,
Andacht und Wissenschaft beschäftigen. Ihre Aufgabe ist es,
Bücher zu schreiben, die Befehle des Scheriats' durch das Wort
zu verkünden und zu bewahren. Ihre Pflicht ist es, Ratschläge
zu erteilen, die Religion zu lehren und Liebe zu ihr zu erwecken,
für das ganze Volk zu beten und den Padischah zum
Guten anzuleiten. Der Padischah ist im Reich das, was im
Körper das Herz ist. Wenn das Herz gesund ist, dann wird
der ganze Körper gesund sein.
Die dritte Klasse gehört den Ackerbauern. Diese nennt man
Raja und Beraja2 und ihre Beschäftigung ist der Bau von Getreide,
Obst und Wein und die Viehzucht. Die Arbeit dieser
Klasse ist vor allem notwendig und neben der der Gelehrten
und Krieger die vornehmste.
Die vierte Klasse ist die der Handwerker und Kaufleute.
Diese sind ihrer Beschäftigung nach sehr verschieden.
Jedermann muß einer dieser vier Klassen angehören, damit
nicht Elend eintrete, deshalb sagten einige der alten Weisen,
daß alle, die ohne Arbeit leben und keiner Klasse angehören,
als unnütz getötet werden sollen, da sie den übrigen nur zur
Last fallen. Zu Zeiten der alten Sultane wurden diese alljährlich
zusammengesucht und ausgewiesen. Insbesondere in den Häfen
wurde darüber gewacht und verhindert, daß solche Araber Rums
Boden betreten. Dies ist der Grund, weshalb auf dem Gebiet
Rums in den alten Zeiten Wohlstand und Überfluß herrschte.
Auch jetzt ist es nötig, die Beschäftigungslosen auszuweisen.
Jede Klasse aber befasse sich eifrig mit ihren Angelegenheiten
und gehe nicht müßig, denn das widerspräche der Ordnung
und verursachte Störungen. Auch solle man nicht die
1 Scheriat, das niusemianische Gesetz.
2 Raja sind christliche Untertanen der Türkei, die kharadsch (Steuer)
oder — wie man zur Zeit der türkischen Herrschaft in Ungarn sagte —
,
Haratsch zahlen mußten. Beraja sind die muselmanischen Ackerbauer,
die bloß Zehent zahlten.
Öl-
Angehörigen einer Klasse zur Ausführung der Beschäftigung
der andern Klasse zwingen, denn daraus entspringt nur Übel
und Unordnung. Wenn die Ackerbauer und Gewerbetreibenden
gezwungen werden, die Waffen zu ergreifen und in den Krieg
zu ziehen, dann ist niemand da, der den Boden bebaut, und aus
Mangel an Getreide, Obst und Haustieren tritt große Teuerung
ein. Daher kommt es, daß man heute 10 Akcse für etwas zahlen
muß, was früher 1 Akcse kostete, ja daß es sogar für 10 Akcse
nicht erhältlich ist. Wenn man die Bevölkerung der Städte zum
Kriegsdienst zwingt, lockert sich die Disziplin, denn diese Soldaten
werden lässig sein.

Früher war dies auch anders; aber seit 1001 1 bis jetzt,
insbesondere in Kroatien und Bosnien, wo ununterbrochen Krieg
herrschte, schickten die Serasker alle Jahre ihre Leute in die
Wilajets und führten die ackerbautreibenden Raja und die Bewohner
der Städte, die Handwerker, mit Gewalt in den Krieg,
und so blieben die Acker unbebaut, in den Dschamiks der Städte
blieben keiner Beter, und Not und Elend erhob das Haupt. Aber
auch kriegerischen Mut besaßen sie nicht, sondern flüchteten. 2
Ein solches Vorgehen verursacht Unordnung, schwächt
das Reich und bewirkt den Untergang des Sultanats. Möge Allah
das islamitische Volk und das osmanische Reich vor solchem
Wirrsal behüten
!
Erstes Kapitel.
Die erste Grundlage und Säule der Regierung der Reiche
ist die Gerechtigkeit, denn nur diese erweckt Vertrauen.
Allah sagt im Koran: „Allah befiehlt mit Gerechtigkeit
und Gnade" : d. h. Gerechtigkeit üben, ist Gnade üben.
Der Prophet hat gesagt: „Mit drei Dingen hat Allah den
Himmel geziert : mit der Sonne, dem Mond und den Sternen
:
1 Nach christlicher Zeitrechnung vom 7. Oktober 1592 bis 26.
September 1593.
2 Der Verfasser meint den Sieg Thomas Erclödys und seiner Genossen
bei Sisek. Beschreibung dieser Schlacht s. G. Gömöry Hadtört.
Közl. (Kriegsgeschichtliche Mitteilungen). Jahrgang 1894, Seite 613.
35*
548
ebenso gereichen auch der Erde zur Zierde die Ulemas, der
Prophet und der gerechte Sultan." Der Prophet sagte weiter:
„Die Gerechtigkeit ist eine größere Gewalt in der Hand des
Padischah, als selbst die Religion. Die Gerechtigkeit ist die
Stärke Padischah."
Padischah Erdeschir1 hat gesagt: „Wenn sich der Padischah
von der Gerechtigkeit abwendet, wendet sich auch das
unter der Herrschaft dieses Padischahs stehende Volk vom Gehorsam
ab, es neigt zum Aufruhr." Gleichfalls von Padischah
Erdeschir wird erzählt, er habe gesagt: „Der Padischah besteht
nur durch Männer, durch Soldaten. Soldaten kann man nur mit
Geld halten. Geld kommt nur aus blühenden, reichen Wilajets.
Ein blühendes, reiches Wilajet entsteht nur durch gerechte, gute
Regierung." Das Wesen dieser Rede ist also, daß der Padischah
nur durch Gerechtigkeit besteht; Gerechtigkeit aber wird nur
durch gute Regierung.
Man hat gesagt: „Nur der Ort wird blühn, wo der Padischah
Gerechtigkeit übt. Die Macht und das Ansehen des Padischah
ruht in der Gerechtigkeit." Jezdedserd 2 hat einmal einen
Weisen gefragt: „Wodurch gelangt der Padischah und das Land
in eine gute Lage?" Der Weise antwortete: „Durch Wahrung
der Gerechtigkeit, wenn unter den Rajas Gesetz und Gerechtigkeit
herrscht ohne Ausnahme." Der Padischah erweckt Liebe
durch die Gerechtigkeit und wenn er im Wilajet die Sicherheit
der Wege aufrecht erhält und die Bedrückten gegen ihre Tyrannen
schützt.
Emir-ül-Abdallah bin Tahir fragte einen Ulema-Scheik
:
„Wie lange wird unsere Herrschaft dauern?" — Der Scheik
antwortete: „Solange Gerechtigkeit besteht, wird auch die Herrschaft
stark bleiben."
Durch Sorglosigkeit geht das Reich verloren. Ein Padischah
ist sorglos: 1. wenn er in Genuß und Vergnügen versinkt,
1 yfrüiöy (Erdeschirr) war der persische Herrscher Artaxerxes.
- cXj.ä.uVl:ä (Jezdedserd). mehrere Herrscher aus dem Hause der
Sassaniden.
549
2. wenn er die Gelegenheit versäumt. — Ein kluger Mann hat
einmal gesagt : „Die Klugheit ist der beste Reiter, die Gerechtigkeit
der beste Wächter." — Man hat gesagt : „Die Gerechtigkeit
ist eine starke Burg auf der Spitze eines hohen Berges, die durch
die Sturmflut nicht fortgerissen, durch die Kugeln der Mendschenik-
Kanone * nicht zerstört werden kann."
Der Kern dieser Rede ist, daß der gerechte Padischah von
seinen Feinden nicht besiegt werden kann, denn Allah verleiht
ihm seine Hilfe.
Von Padischah Nuschirvan" wird erzählt, daß als er starb,
sein Sarg im Lande herumgetragen wurde, ob etwa jemand eine
Klage gegen ihn hätte ; es fand sich aber im ganzen Land
niemand, der eine Klage wider ihn hatte, solch ein gerechter
Herrscher war er. Dies kann den islamitischen Padischahs zum
Beispiel dienen, daß sie gerecht seien, denn Nuschirvan war ein
Feueranbeter und Ungläubiger.
Wenn der Padischah gerecht herrschen will, vertraue er
nicht alles seinen Leuten an, denn wenn er alles auch geeigneten
Leuten anvertraut, so verdirbt er schließlich deren Herz.
Wirrsale Und Unordnungen in den Angelegenheiten des Padischah
aber stammen vor allem daher, wenn er seine Angelegenheiten
nicht entsprechenden Leuten anvertraut, denn für den
Padischah sind einige tausend gelehrte und kluge Männer noch
wenig, ein einziger Feind aber viel. Der alte beredte Dichter
Ibn-Rumi sagt : „Tausend gute Freunde sind für einen Menschen
nicht zu viel, aber ein einziger Feind ist zu viel."
Der Prophet sagt: „Wenn ein Fürst einem (ungeeigneten)
ein Amt verleiht, obgleich unter seiner Herrschaft die geeignetsten
Menschen leben, so begeht dieser Fürst Verrat an Allah,
seinem Propheten und dem muselmanischen Volk." Wenn die
Verworfenen zur Herrschaft gelangen, beginnt für die Gerechten
die Zeit der Leiden und des Unglücks.
1 t<frAA^\«yo (Mendscbenik), eine Kanone alter Art, die Steinkugeln
.schoß.
- (o'jr*^ (Nuschirvan), ein persischer Herrscher mit dem Bei550
Die Herrschaft des Hauses der Sassaniden 1 war deshalb so
reich an Wirren und es verlor das Sultanat aus dem Grunde
weil es große Dinge kleinen, d. h. verdienstlosen und unfähigen
Männern anvertraute.
In diesem Beispiel liegt in Bezug auf die jetzige Zeit eine
ernste Warnung für das Haus Osman, dessen Sultanat Allah
ewig erhalten möge ! Die Warnung ist die, daß die höchsten
Amter hervorragender, seit langem im Dienst der Pforte stehenden
Männern anvertraut werden mögen, denn wenn sie unfähigen
anvertraut werden, bringt es nur Gefahr.
Dann ist es notwendig, daß der Padischah sich kluge,
ehrliche und in der Leitung der Geschäfte bewanderte Wesire
wähle. Wenn der Wesir gut und geeignet ist, dann werden auch
die Angelegenheiten des Padischah gut stehn und alle Dinge
werden in Ordnung sein. Wenn aber der Wesir schlecht ist, dann
werden auch die Angelegenheiten des Padischah in Verwirrung
geraten. Wenn sich Allah einem Padischah gnädig erweist, dann
gibt er ihm einen guten Wesir. Wenn der Padischah eine wichtige
Angelegenheit vergißt, bringt sie ihm ein solcher Wesir in
Erinnerung, und wenn der Padischah etwas wünscht, hilft ihm
der Wesir es ausführen. Wenn Allah aber einem Padischah kein
Wohlwollen erzeigt, dann gibt er ihm einen nichtswürdigen Wesir,
der den Padischah nicht erinnert, wenn er etwas vergißt, und
der nicht bestrebt ist auszuführen, was der Padischah will. Man
sagt : „Frage nicht, wer und wie der Padischah sei, sondern sieh,
wer und wie sein Wesir ist, denn so wird auch der Padischah sein."
Iskender2 hatte lange Zeit hindurch einen Wesir. Der erinnerte
ihn an nichts. Eines Tags sprach Iskender so zu dem
Wesir : „Ich bedarf deines Dienstes nicht, weil auch ich ein Mensch
bin, Menschen aber in so langer Zeit viele Fehler begehen, viel
vergessen, und wenn du in so langer Zeit meine Fehler, meine
Vergeßlichkeit nicht bemerkt hast, bis du unwissend und dumm
;
wenn du sie aber bemerkt und dazu geschwiegen hast, dann bist
1 .wLvj Jf (Al-i Sassan), die Sassan-Dynastie in Persien.
- Iskender = Alexander der Große.
551
du niedrig und verräterisch, denn du warst nicht aufrichtig ; du
bist also keinesfalls des Wesirats würdig." Der Herrscher braucht
einen solchen Wesir, der ihm aufrichtig und klug dient.
Es ist nötig, daß der Padischah die Ulemas, die Frommen,
hochachte und ihr Herz durch Güte gewinne, daß diese ihm
wiederum mit Gebet und gutem Rat helfen. Ihren Worten soll
er vor denen anderer Glauben schenken, denn die Ulemas kennen
kerne Verschlagenheit und Hinterlist, und man konnte bisher
nicht hören, daß sie den Padischah jemals irgendwie betrogen
hätten, denn die Ulemas sind die Nachfolger des Propheten, die
dem Heil in dieser und in jener Welt dienen, wie die Propheten.
In jedem Jahrhundert sind die Ulemas die Propheten des betreffenden
Jahrhunderts.
Es ist gesagt worden: ..Diese Welt besteht in Wahrheit
durch vier Dinge: 1. durch die Wissenschaft der Ulemas, 2. die
Gerechtigkeit der Padischahs, 3. das Gebet der Frommen, 4. die
Wohltätigkeit der Freigebigen." Der Prophet hat gesagt, das
Angesicht der Ulemas zu betrachten sei schon Gebet. Der Prophet
hat gesagt, dal.» die von den Gelehrten gebrauchte Tinte beim
jüngsten Gericht dem Blut der Märtyrer gleich sein werde. Es
ist gesagt worden: „Das ist ein guter Padischah, der in der Versammlung
der Gelehrten erscheint, aber das ist ein schlechter
Gelehrter, der ohne Not in der Versammlung der Padischahs
nnd Begs zugegen ist."
Der Padischah soll in dem unter seiner Herrschaft stehenden
Volk Ehrfurcht erwecken ; dies aber erreicht er durch fünferlei
Eigenschaften: 1. er erhebe die Ausgezeichneten; 2. er erbarme
sich der Schwachen ; 3. er helfe den unterdrückten Waisen
;
4. er halte die Bosheit des Feindes fern ; 5. er sichre die Wege
der Ii eisenden. Nur ein solcher Padischah gewinnt das Herz
seiner Untertanen, der diese Eigenschaften in sich vereinigt.
^ eiter sei der Padischah freigebig und gutherzig gegen seine
Untertanen aus allen Klassen, denn er verbindet sie sich dadurch.
Seine Gnade und Güte beschränke sich nicht auf eine Klasse, denn
das Reich des Padischah setzt sich aus Menschen aller Berufe
zusammen, wie wir es am Anfang des Buches gesagt haben.
552
Man hat gesagt : „Der Mensch ist der Diener seines Wohltäters."
Imam Safi hat gesagt: „Mit Güte kannst du freien
Menschen den Fuß auf den Nacken setzen. Wer Gefälligkeiten
erweist, macht ein gutes Geschäft, denn er beugt den Nacken
eines von ihm unabhängigen Menschen, d. h. er macht ihn durch
seine Güte zu seinem Sklaven." Ali hat gesagt: „Der größte
Schatz ist die Liebe der Herzen/'
Wer sein Vermögen verbirgt, verliert die, die ihm helfen
könnten, oder: wer vor seinen Soldaten sein Geld verbirgt, dem
helfen seine Soldaten nicht. Iskender wurde gefragt: „Warum
sammelst du nicht Schätze, wie die übrigen Könige?" Iskender
antwortete: „Mein Schatz sind meine Soldaten."
Wer nicht Gutes tut, wird keine Brüder haben, niemand
wird ihm helfen. Die Wohltätigkeit trägt dem Menschen Ansehen
ein. Der große Dichter Abul-Taib hat gesagt: „Zu welchem Ende
sammelst du Geld? Du kannst damit deinen Freunden Gutes.
deinen Feinden Schaden bereiten." Ebenderselbe hat gesagt:
„Vier Dinge erheben den Menschen zu hoher Stufe : 1. die
Wissenschaft, 2. die Sanftmut, 3. die Wohltätigkeit, 4. die Freigebigkeit."
Der ausgezeichnete Dichter Jessi hat gesagt: „Wenn
ein Padischah nicht freigebig ist, meide ihn, denn gar bald wird
die Herrschalt seiner Hand entfallen."
Wer mit seinem Geld freigebig ist, dem neigt sich das
Volk zu. Das Geld kann für den Menschen zum bösen Geist
werden, denn wer mit ihm nicht Gutes tut, hat keine prüder
und Freunde.
Wer große Sorgen hat, scheint den Augen des Volkes groß.
Im Verhältnis zu den andern Menschen ist der Padischah so,
wie der Berg im Verhältnis zu andern Orten. Der Padischah sei
sanftmütig, nicht jähzornig. Er sei geduldig, und wenn er hört,
daß jemand gegen ihn gesprochen habe, eile er nicht zu strafen,
denn sonst vertraut ihm niemand, sondern alle verachten und
fürchten ihn. Wenn der Padischah den Thron nach seinem Vater
besteigt, ehre er die Freunde und Wohltäter seines Vaters, denn
Freundschaft und Haß werden auch vererbt. Der Sohn des
Freundes wird Freund, der Sohn des Feindes wird Feind sein.
553
Dies Kapitel wird zeigen, wie der Padischah dem Land
Schaden zufügt.
Die Anzeichen für den Niedergang eines Padischah, oder
des Unglückes eines Padischah sind : Wenn er die Jungen und
Unüberlegten zu Wesiren und zu seinen Gelahrten macht: Avenn
er seine Freunde erbittert; wenn die Einhebung und Manipulation
der Steuern ungeordnet ist; wenn er niemanden in seine
Nähe läßt und von niemanden einen Rat annimt oder erbittet,
sondern sich ganz seiner Laune überläßt; wenn er aufhört, die
Ulemas zu ehren, denn dadurch verbreitet sich die Unwissenheit.
Dem Thron des Padischah bringen drei Dinge Gefahr;
1. wenn der Padischah in Genuß versinkt und seine Pflichten
vernachlässigt ; 2. wenn die Wesire gegen einander Neid hegen,
denn dann handeln sie naturgemäß gegen einander ; 3. wenn das
Heer den Zusammenstoß mit dem Feind fürchtet und man gegenseitig
die Ratschläge nicht beachtet.
Die Anzeichen des Verderbens für das Sultanat sind : Wenn
die Anordnungen der Gesetze nicht erfüllt werden; wenn die
Soldaten zu erpressen anfangen und man ihnen nicht Einhalt
gebietet. •
Wenn unter der Herrschaft eines Padischah solche Zeichen
sich ereignen (auftreten), ist es nötig, daß die Wesire und Ulemas
dem Padischah sofort Meldung erstatten und ihm sagen, was zu
tun sei. Der Padischah aber versäume nicht, seine Verfügungen
zu treffen, denn wenn er lässig ist, trifft Schaden das Sultanat
und das Unglück kommt über das Reich. Wenn sich die Zeichen
solcher Ubelstände zeigen, trachte man gleich, sie zu beheben,
denn wenn sie übermächtig werden und erstarken, wird es schwer
fallen, sie zu beheben.
Ibn-Abbas sagt: „Zu den Anzeichen des jüngsten Gerichts
gehört, daß das Volk das Gebet vernachlässigt imd sich der
Sinnlichkeit ergibt." Auch das sind Anzeichen des jüngsten Gerichts,
wenn der Padischah ein Verräter, die W'esire ausschweifend
sind. ALs der Prophet hievon einmal sprach, sprang Suleiman
von seinem Sitz auf und sagte: „Vater. Mutter seien dir geweiht,
oh du Prophet Allahs, wird dieser Zustand wirklich eintreten ?"
55
!
Der Prophet entgegnete: „Ja, oli Suleiman! dies wird eintreten
und dann wird das Herz des Gläubigen dem im Wasser aufgelösten
Salz gleichen, denn es wird vor Kummer schmelzen."
Suleiman sagte voll Erstannen: „Muß dies geschehen?" Er antwortete
: „Gewiß ! und diese Zeit wird für die Gläubigen die Zeit
der Leiden sein."
Allah ! laß nie diese Zeichen im starken osmanischen
Reich eintreten.
Zweites Kapitel.
Die zweite Grundlage des Reiches ist die Beratung. Allah
sprach im Koran so zum Propheten: „Handle in allen Dingen
nur auf Grund von Beratungen." Dies wollte Allah aus dem
Grunde, damit jener in großen Dingen mit den Ulemas, Weisen,
erfahrenen Männern, mit den Großen des Reiches Rat pflege.
Der Prophet hat gesagt: „Wer sich berät, dem ist schon
geholfen." Omar hat gesagt: „Ein Volk, das keine Beratungen
abhält, findet in seinen Angelegenheiten den rechten Weg nicht."
Suleiman hat zu seinem Sohn gesagt: „Mein Sohn! Entscheide
dich in einer Angelegenheit nicht, so lange du dich nicht mit
verständigen Männern beraten hast, denn nur dann, wenn du
auf Grund von Beratungen handelst, wirst du nicht in die Enge
geraten." Man hat gesagt: „Zuerst bete und erflehe dir Gutes,
dann halte Rat, damit du keinen Fehler begehest." 1
Hassan hat gesagt: „Die Menschen sind dreierlei: 
1. ganze Mensehen, 2. halbe Menschen, 3. keine Menschen. Ein ganzer Mensch ist, wer selbst klug ist und doch auch Rates pflegt. Ein halber, wer klug ist, aber nicht Rat hält. Kein Mensch, wer weder selbst klug ist, noch Rat hält."
In allen Dingen ist Beratung von Nöten. Auch der Klügste
bedarf der Meinung anderer, wie auch das beste Pferd die Peitsche
braucht und wie die frömmste Frau nicht ohne Mann bleiben
kann. Jeder sieht mit seinen Augen die nächsten und entferntesten
Dmge, aber sich selbst sieht er nicht, sondern nur
1 Hier folgt ein arabisches Gebet, das nicht zum Gegenstand gehört
555
mit Hilfe eines Spiegels : so bedürfen auch die, die anderen Ratschläge
erteilen, in ihren eigenen Angelegenheiten des Rates.
Wenn Omar einer schwierigen Sache gegenüberstand, berief er
die Helden und beriet sich mit ihnen und pflegte zu sagen, daß
der Geist der Helden scharf sei.
Dein Geheimnis teile nur einem der Weisen mit, ihrer
tausend aber ziehe in deine Beratungen. Der Weise der Hindu
sprach so: „Mit Klugheit kann man erreichen, was man mit
Gewalt und mit Soldaten nicht erreichen kann." Der Kalif Mansur
sprach so zu seinem Sohn: „Zwei Dinge hinterlasse ich dir, mein
Sohn: 1. Unüberlegt sprich nie ein Wort; 2. tu nichts, ohne
das Ende zu bedenken." Man hat gesagt: „Der kluge Gedanke
erreicht mehr, als das Schwiert. Im Krieg gilt ein Kluger mehr,
denn tausend Reiter; denn ein Reiter tötet höchstens zehn bis
zwanzig Feinde, ein Kluger aber vernichtet ein ganzes Heer.
Im Kampf nützt List mehr als Kraft." Man hat gesagt: „Vertraue
deiner Verschlagenheit mehr, als deinem Heldenmut. Zuerst
der Plan, dann der Mut."
Lokman der Weise sagte : „Mein Sohn, berate dich mit
erfahrenen Männern." Iskender sagte: „Wenn die gute Meinung
auch von einem Mann niederer Herkunft stammt, verachte sie
dennoch nicht. Die echte Perle verachtet auch niemand deshalb,
weil der Taucher, der sie entdeckt und heraufgebracht hat, ein
Mann niederer Herkunft war." Von wem immer ein wahres
AA ort kommen mag, man muß es anhören.
Dies Kapitel handelt von den Dingen, die einen guten Plan
verderben.
Drei Dinge verderben den guten Plan: 1. wenn in den
Plan zu viele eingeweiht sind, denn dann wird er verschleppt;
2. wenn (he Eingeweihten gegen einander Neid hegen; 3. wenn bei
der Ausführung des richtigen Planes keiner diesen recht versteht.
Ali hat gesagt: „Mit einem Geizigen berate dich nicht,
denn er zieht dich vom Weg der Tugend ab. Mit einem Feigling
berate dich nicht, denn er raubt dir den Mut. Auch mit einem
Hochmütigen berate dich nicht, denn er wird dich kleinmütig
machen/" Allah hält diese drei Din^e für schlecht.
556
Möge Allah dem Padischali und dem Wesiren dazu verhelfen,
daß sie die guten Ratschläge der Ulemas und Weisen
anhören und den richtigen Weg finden.
Drittes Kapitel.
Dies Kapitel handelt vom Gebrauch der Waffen, von der
Kriegführung und vom Äneifern der Soldaten zum Kampf.
Allah hat im Koran gesagt: „Auf ihr Gläubigen, greift
zu den Waffen !
" Waffe ist alles, was in der Schlacht gebraucht
wird, also muß man den Gebrauch von allen kennen, den der
Streitaxt ebenso, wie den der Schußwaffen. Die Vernachlässigung
der Anwendung des Gijom 1 und Jarak 2 hat die Flucht in der
Schlacht zur Folge, wie das auch im Egerer Feldzug auf der
großen Walstatt3 zu sehen war. Insbesondere seit der in Rum
und Bosnien vorgefallenen Wirrnisse ist die Art des Kampfes
gegen den Feind nicht mehr bekannt, und deshalb sind sie
geflohen.
Die Ursache hievon ist, daß die Serasker die Soldaten nicht
mehr selbst inspizieren, oder daß sie es nur lässig tun. Es ist
nötig, daß die Musterung von den Kommandanten selbst durchgeführt
werde und daß sie nicht bloß die Soldaten, sondern auch
die Kriegsausrüstung und die Pferde visitieren, und daß sie außer
sich selbst niemanden vertrauen. In den alten Zeiten haben die
Padischahs selbst dies getan.
Als Iskender einmal Musterung über seine Soldaten hielt,
erschien ein Reiter vor ihm auf einem lahmen Pferd. Iskender
befahl, ihn aus dem Heer zu entfernen. Da begann der Soldat
zu lachen. Iskender fragte, warum er lache, da er doch aus dem
Heer entlassen sei. „0 Padischali! entgegnete er, ich wundere
mich über dich und darum lache ich. Ich lache darüber, daß du
auf einem Pferd sitzest, das gut läuft, daß ich dagegen auf einem
1 r**^i (Gijom) ist eine vollkommen unbekannte Waffe. Dies Wort
gibt es in der heutigen türkischen Sprache nicht mehr.
- öf;w> (Jarak) war eine lange Lanze
:i Im Gefecht bei Mczokeresztes.
So"
solchen Pferd sitze, das nicht weglaufen kann, ich also gezAvungen
bin. im Kampf auf meinem Platz auszuharren. Weshalb jagst
du mich also weg?" Hierauf beließ ihn Iskender im Heer.
Padischah Amru ben Lais hielt Musterung. Ein Soldat kam
auf einem mageren Pferd vor ihn und der Padischah sagte : „Gott
strafe diese Verdammten, sie mästen mit dem Gelde, das sie aus
der Schatzkammer erhalten, den Rücken ihrer Weiber, verschwenden
ihren Sold auf ihre Weiber und füttern die Pferde
nicht." Darauf antwortete der Soldat: „Ach Padischah! wenn du
den Rücken meines Weibes sehen würdest, würdest du ihn noch
magerer finden, als den des Pferdes." Da lachte der Padischah
und befahl, ihm Geld zu geben, imd sagte: „Nimm das Geld
und mäste damit dein Weib und dein Pferd."
Diese zwei Vorfalle beweisen, daß die Padischahs in alter
Zeit niemandem vertrauten, sondern selbst nach dem Heer sahen.
Hieraus folgt, daß Musterungen nötig sind, insbesondere in der
heutigen Zeit, denn jetzt in dem Kampf mit den Ungläubigen
sehn wir, daß unsere Schwäche nur aus der Vernachlässigung
dieses einen Unistandes stammt. Jetzt beginnt der Feind, durch
die Verwendung einiger Kriegsmittel über uns zu siegen. Wenn
auch wir dieselben anwenden, werden wir die Verdammten besiegen,
denn der islamitische Glaube ist Stärke ; aber jetzt hat
der Feind durch den Gebrauch einiger Kriegsmittel, neuartiger
Gewehre und Kanonen, die unsere Soldaten einzuführen versäumt
haben, die Oberhand gewonnen, ja bei uns werden auch die von
altersher gewohnten Waffen vernachlässigt.
Dann ist es nötig, daß der Padischah oder die Serasker
die Soldaten zum Kampf aneifern, damit sie sich nicht fürchten.
Allah befahl dem Propheten : „ Oh Mohammed ! eifre die Gläubigen
zum Kampf an!" Und wie vor Beginnn des Kampfes, so ist es
auch im Kampf selbst nötig, zum Aushalten anzufeuern, denn
dadurch werden 1000 Gläubige selbst 2000 Ungläubige besiegen,
weil Gott den Sieg dem Standhaften gibt.
Deutlich war dies auch im jetzigen großen Gefecht 1 zu
sehn, als der größere Teil des islamitischen Heeres beim Zu-
1 Bei Mezökereszti
558
sammenstoß mit der großen Feindesmaeht floh, unser erhabener
Monarch, Sultan Mohammed Khan dagegen tapfer und geduldig
auf seinem Platz 1 ausharrte, wie die starke Mauer Iskenders,
und daher aus Gottes Gnade die eiteln Ungläubigen eine solche
Niederlage und schmähliche Flucht traf, daß man bis zum
jüngsten Tag unter den Menschen davon reden wird. Möge uns
der erhabene Gott immer solchen Sieg verleihen und unsere

Tapferkeit steigern!

Allah hat zum Propheten gesagt: „Wenn ihr mit dem
Feind zusammentreffet, seid standhaft, und wisset, daß das
Himmelreich im Schatten des Krieges und der Schwerter ist."
Allah hat gesagt: „Mit Geduld werden Sieg und Erfolg leicht
sein." Wie der Magnetstein das Eisen an sich zieht, so erringt
die Geduld Sieg und Triumph. Daher sagt man, daß die Geduld
eine Leiter sei, und wer sie hinansteigt, entgeht der Reue.
Der Krieger bedarf der Eigenschaften einiger Tiere : er sei
streitbar wie der Hahn, starken Herzens wie der Löwe, stürmisch
im Angriff wie der Wildeber, geduldig wie der Hund, vorsichtig
wie der Kranich, bedächtig wie der Rabe, reißend wie der Wolf.

Ein alter Padischah sagte : „Den tapferen Mann liebt auc
sein Feind, den Furchtsamen, Feigen dagegen verachtet jedermann und nicht einmal die eigene Mutter liebt ihn." Insbesondere trifft dies an den Grenzen von Rum und Kroatien zu, den wenn man bei einem der unsrigen Tapferkeit bemerkt, wird er
geliebt und gerühmt, ja man sendet ihm für seine Tapferkeit auch noch Geschenke ; wer aber als feige erkannt wird, der wird verachtet und bisweilen werden ihm als Spott Weiberkleider geschickt. Schätze niemanden gering, denn wenn er über dich
siegt, wird man dich nicht loben und dir Alferm (Alferm = es ist gut, es ist lobenswert) sagen.

1 Nach den christlichen Geschichtsschreibern ist auch der Sultan
geflohen (s. Eugen Horväth, Magyar hadi krönika — ungarische Kriegs-
Chronik. Budapest, 1897. Seite 136), dies ist aber eine irrige Angabe.
S. Evlia Cselebi, Magyarorszägi utazäsai (Ungarische Reisen). II. Budapest,
1908. Seite 136, und des einstigen Pecsevi Tarikh, Konstantino peler
Ausgabe, 1866, II. Seite 200.

559
Wenn der Padischah einen Feind besiegt und unterwirft,
soll er die Begs dieses Feindes nicht in ihren Stellen belassen,
denn der Fanatismus, die Rache -und Feindseligkeit verläßt ihr
Herz nicht, sondern verbirgt sich dort in ihrem Herzen und
geht auch auf ihre Kinder über, wie wir dies bei den Emiren
der Moldau, 1 Walachei 2 und Siebenbürgens im Jahre 1003 3 sahen.
An den Begs der Wilajets Moldau, Walachei und Siebenbürgen
— Gott verdamme sie — hat es sich bestätigt, daß sie in ihrem
Herzen den Haß und die Feindseligkeit beinahe seit fünfzig
Jahren verborgen hielten, und als sie die Sorglosigkeit der islamitischen
Emire sahen, fanden sie die Gelegenheit günstig, siegten
und raubten aas der Reihe der ihren Wilajets benachbarten islamitischen
Städte 27 Städte und Gemeinden aus und verwüsteten
sie.
4
Ich behaupte bei Gott, daß wenn in diesen Angelegenheiten
auch fernerhin mit der gleichen Sorglosigkeit verfahren wird,
sie nach ihrer Gewohnheit bei der ersten Gelegenheit sich erheben
und dem islamitischen Volk Schaden zufügen werden.
Folglich ist Klugheit nötig, die erfordert, daß im islamitischen
Reich, auf dem Boden Rums, in den in der Richtung der-
Residenzstädte des Padischah, Istambul und Edirne hegenden
Orten die ungläubigen Wilajets nicht ungläubigen Begs anvertraut
werden, denn dies ist nicht richtig."
Viertes Kapitel.
Dies Kapitel handelt von den Gründen, die die Hilfe des
erhabenen Gottes für den Sieg gewinnen, und erläutert auch die
1 Türkisch : Bogdan.
- Türkisch : Kara-iflak.
3 1595 n. Chr.
4 Diese Bemerkung bezieht sich auf den Feldzug Sigismund Bäthorys,
den er 1595 mit dem Woiwoden Michael aus der Walachei und dem
Woiwoden Aren aus der Moldau gemeinsam gegen die Türken unternommen
hatte.
5 Der Verfasser machte liier den sonderbaren Vorschlag, es sollten
in Siebenbürgen, der Walachei und Moldau an die Stelle der Woiwoden
türkische Gouverneure eingesetzt werden.
56i
die Niederlagen herbeiführenden Ereignisse. Möge uns Allah vor
Niederlagen schützen
!
Unter den obigen Gründen steht die Tapferkeit und
Tüchtigkeit der islamitischen Soldaten obenan. Allah sagt im
Koran: „Der erhabene Gott ist mit den Frommen." An anderer
Stelle wieder sagt er: „Der erhabene Gott ist mit denen, die
sich der Sünde enthalten und Gutes tun." Es ist kein Zweifel,
daß der Sieg nur mit Hilfe Gottes eintritt, deshalb ist es eine
wichtige Aufgabe des Padischahs und der Wesire, das Kriegsvolk
von der Sünde, dem Aufruhr und den neuentstandenen sogenannten
Kaffeehäusern und andern unnützen Dingen fernzuhalten.
Bei den Soldaten sollen sie auf das Gute und auf die Tugend
ihr Augenmerk richten und es bevorzugen, denn dadurch eifern
sie die Schlechten zum Guten an.

Der zweite Grund des Sieges ist das Gebet der Ulemas,
der Scheiche und der Armen, denn der Prophet hat gesagt:
„Durch die Schwachen werdet ihr siegreich sein."
Ein anderer Grund des Sieges ist die Fürsorge des Sultans,
im, Falle des Sieges die Austeilung von Gnadenbezeugungen,
Einhaltung seiner Versprechungen, bei der Flucht aus dem Kriege
aber strenge Strafe. An den Grenzen von Rum ist die Fahnenflucht
schon weit verbreitet, insbesondere aber bei uns an der
bosnischen Grenze. Zur Hintanhaltung dieser Fahnenflucht muß
für ein geeignetes Mittel gesorgt werden. Der Prophet hat gesagt,
daß drei Dinge vor allem Allahs Hilfe würdig sind:
1. wer auf Allahs Wegen für den Glauben kämpft, 2. wer
sich nur deshalb verheiratet, um nicht in Sünde zu verfallen,
3. wer sein Reich samt seinen Untertanen dem Studium der
Schriften weiht.
Ein anderer Grund des Sieges ist der Gehorsam der Soldaten.
Unter den Soldaten sei der Gehorsam, die Freundschaft,
die Einhelligkeit vollkommen, und sie mögen sich vor Feindschaft
untereinander hüten. Unter den Soldaten ist die Freundschaft
und Einhelligkeit von großer Wichtigkeit, aber in unsern
Zeiten gibt es sie nicht mehr; die Zwietracht hat sich vervielfältigt,
und Trotz und Uneinigkeit haben sich verbreitet.
501
Wenn die aufgezählten Gründe gegeben sind, ist es noch
nötig, daß das Vertrauen zu Allah und der Glaube an die Wunder
des Propheten vorhanden sei. Ein solches Heer wird sodann siegreich
sein.
Die Gründe, die die Niederlage und die Flucht unseres
Heeres zur Folge haben, begründen den Sieg und die Herrschaft
der Ungläubigen.
Der erste Grund hiefür ist, wenn man alles so gehn läßt,
wie wir es oben beschrieben haben. Die Ursache für den Sieg
der Ungläubigen und die Niederlage unseres Heeres ist die Verirrung
und der Aufruhr unter unseren Soldaten, Sowie sich das
Kriegsvolk zu empören anfängt, beginnt auch seine Niederlage.
Allah sagte zu einem Propheten: „Wenn ein Knecht, der mich
kennt, sich wider mich empört, setze ich solche, die mich nicht
kennen, über ihn zum Herrscher ein. " Der Prophet hat gesagt
:
„Mit Tyrannei siegt niemand." Schwelgerei, Gewalttätigkeit, Unglaube
ist Verrat gegen die Religion ; der Verräter aber ist feige
und furchtsam ; der Furchtsame und Feige aber flieht im Kampf.
Auf dem Boden Rums greift die Gewalttätigkeit um sich. Seit
drei Jahren oder in den letzten drei Jahren vor 1004 kommen
unter den islamitischen Soldaten Gewalttätigkeiten und Feindseligkeiten
vor, viele Kriegsleute haben in den Dörfern und
Städten die Ruchlosigkeit verbreitet, raubend und plündernd den
Muselmanen das Vermögen abgenommen und den Frauen und
Kindern der Muselmanen Gewalt angetan, den Rajas die Lebensmittel
geraubt und sogar die Armen gequält. Insbesondere das
unter dem Namen Khunkjar Kuli 1 bekannte Volk hat solches
verübt. Deshalb hat Gott dem Feinde Macht über uns gegeben.
Der Feind hat die Grenzen des Landes Rum angegriffen, ist dort
eingebrochen und hat viele Burgen erobert.
Preis sei Gott, denn durch die hohe Denkungsart und die
starke Herrschaft Seiner Majestät, des mächtigen Padischah Sultan
Mohammed Khan haben auf dem bekannten Schlachtfeld2 jene ihre
1 Khunkjar Kuli = Diener des Kaiser«. Über diese Unruhen schreibt
Hammer Genaueres im oben zit. Werke, Band II. Seite 563—570.
- Bei Mezökeresztes.
36
562
Strafe empfangen. Wir bitten den erhabenen Gott, daß er in
Hinkunft nocli mehr Rache an ihnen übe.
Dies ist aber deshalb so gekommen, weil im islamitischen
Heer diesmal keine Verwirrung herrschte, kein Versäumnis und
keine Gedankenlosigkeit vorfiel, die Soldaten ihren Sold und ihre
Lebensmittel rechtzeitig erhielten. Allah erleuchte das Herz der
Padischahs und Wesire
!
Ein Grund für die Niederlage ist auch noch, wenn die
Gelegenheit nicht erspäht und die Schlacht nicht zur rechten
Zeit begonnen wird. Noch ein Grund für die Niederlage ist die
Vermess*enheit, und daß der Feind für gering und schwach gehalten
wird. Man muß sich vor allem hüten, was zur Sorglosigkeit
führt, und jede Angelegenheit überlegen. Möge Allah alle
unsere Unternehmungen mit Erfolg krönen!
Die Besiegelung des Friedens und Vertrages.
Allah hat im Koran gesagt: „In allen Feindseligkeiten ist
der Friede das Beste." Man hat gesagt: „Kampf und Schlacht
sind hart und bitter, aber der Friede ist eine sichere und heitere
Sache." Der geistreiche Padischah Kejkhasrev hat gesagt: „Es
ist eine große Sünde mit dem Krieg zu führen, der den Frieden
will." Der kluge Padischah Erdeschir hat gesagt: „Ich gebrauche
nicht gegen jeden Empörer das Schwert, wenn der Stock genügt.
Wenn aber ein kluges Wort den Feind bezwingt, beginne ich
nicht den Kampf mit den Waffen." Man hat gesagt: „Der Friede
erhält das Vermögen und die Ehre."

Allah spricht im Koran : „Am Tag der Auferstehung wird
nach dem Vertrag gefragt", d. h. man darf einen Vertrag nicht
brechen ; wer ihn verletzt, wird in jener Welt verantwortlich sein.
Verträge zu halten, ist eine wichtige Sache, denn für Vertragsbruch
gibt es auch in dieser Welt Strafe.
Der Prophet erwähnt im Hadis 1 fünf Dinge, die böse Folgen
haben: 1. wenn ein Volk den Vertag bricht, übergibt es Gott
in seiner Feinde Gewalt ; 2. wenn ein Volk gegen Allahs Gebot
handelt, schlägt die Armut bei ihm ihr Lager auf; 3. wenn
sich bei einem Volk Unzucht zeigt, tritt bei ihm die ansteckende
1 Die mündliche Tradition des Propheten.
563
Krankheit auf; 4. wenn ein Volk die Gewichte fälscht, wird bei
ihm Brot und Heu zur Neige gehen ; 5. wenn ein Volk kein
Almosen gibt, wird ihm der Segen des Regens entzogen werden.
Hiemit schließt unser Buch.
Allah allein weiß in allen Dingen den richtigen Weg.
Wer die in diesem Buch enthaltenen Worte der Weisheit in
tiefer Betrachtung erwägt, wird darin alles finden und nicht
andere detailliertere und umfassendere Werke studieren müssen.
Schließlich findet sonst auch die Rede kein Ende. 1
Mit Hilfe Gottes des Erhabenen, der alles vollkommen
weiß, wurde dies Buch im gesegneten Monat Zilhidsche des
Jahres 10042 nach der Flucht des Propheten verfaßt und niedergeschrieben.
Dann nach meiner Rückkehr3 vom Feldzug gegen
die Feste Eger elfolgte die Ausfertigung, Niederschrift und Reinschrift
dieser kleinen Übersetzung im Monat Redscheb des Jahres
1005 4 in der bosnischen Burg Ak-Hissar.
Die ausgezeichneten Regierenden und das Volk mögen
seinen Inhalt erfassen und darnach handeln und der segensreiche
Erfolg wird in den islamitischen Ländern überreich sein. Ich bitte
sie, dies Buch durchzusehen und mit gnädigen Augen zu prüfen,
um die darin vorkommenden Fehler mit dem Mantel der Verzeihung
zu bedecken und in Gnade zu entschuldigen.
Beendet mit Hilfe Allahs des Erhabenen.
Dies ist der Text der Egerer türkischen Denkschrift. Mit
einem Streiflicht leuchtet es in jene Zeit, wo die siegreichen
türkischen Heere auch auf den Türmen von Eger den Halbmond
aufgepflanzt hatten.
1 Hier folgt ein langes Schlußgebet, das jedoch mit dem Text nicht
im Zusammenhange steht und daher in der Übersetzung fortgelassen wurde.
- Monat August 1596 n. Chr.
5 In der Handschrift : Kalai-i Egri seferinden gelüp (von dem
Egerer Feldzug nachhausgekehrt).
1 Zweite Hälfte Februar und erste Hälfte März 1597.
36^



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Excerpts from reports about events near Sisak in 1593

Source:  Spomenici hrvatske Krajine: Od godine 1479 do 1610, Volume 1, edited by Radoslav Lopašić https://books.google.ca/books?id=tHLvuERLU...