Schloß
und Stadt Szigeth in Ungarn und Zrinyi's Heldentod.
1840
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Krieg wüthete in allen Gegenden Ungarns. An
der Drau und zu Tokay, bei Giula und zu Raab, wo des Kaiſers Heer und
Hülfsvolk lagerte, machte man ſich zum Kampfe bereit; die ganze Macht Aſiens
ſchien feindlich gegen die Kräfte Europas zu ziehen: als Solim an mit einem ungeheuren
Heere zu Belgrad anlangte, und zur Belagerung von Erlau gegen die Donau zog. Auf
dem Wege dahin erhielt er die Zeitung, Mehemet, den er erſt zum Statthalter
Bosniens erhoben, ſey zu Siklos, wo er auf ſeiner Herreiſe übernachtet,
erſchlagen worden. Der Haufe Ungarn, der ſich der That erdreiſtet, ſey von Szigeth
ausgezogen, um Kundſchaft von Solimanns Fortſchritten zu holen, und habe die
Vorſtädte von Fünfkirchen verwüſtet. Darob in Wuth, brach der alte Solim an
mit dem ganzen Heere zur Rache auf.
Von Harſan aus, wo er ſein erſtes Lager ſchlug,
ſandte er den Anführer der aſiatiſchen Reiterei mit ſeinem Geſchwader, und Ali
Portuk, dem er den Oberbefehl bei der Belagerung übertrug, mit allem
Geſchütze auf vielen Karren und Wagen, die von Kamehlen gezogen wurden, gen
Szigeth voraus.
Eine Meile vor Szigeth machte Ali Portuk
halt. Zrinyi hatte ſie doch bemerkt, und ein Haufe kampfluſtiger Ungarn
ſtürzte aus der Stadt den ruhenden Feind zu überfallen, und auf gut
magyariſch mit dem Säbel in der Fauſt zu bewillkommen. Viele der Ungläubigen
ſanken unter den Streichen der tapfern Ungarn, die ſelber, als ſie nach der
Veſte zogen, den einzigen Dombai, einen Jüngling, todt zurück ließen.
Bald darauf (2. Auguſt) kam Soliman ſelbſt
vor Szigeth an, und rückte nahe an die Mauern. Ohne die zahlloſen Schaaren des
Fußvolkes führte er an Reiterei allein hunderttauſend Mann. Am Mayerhofe Sibot
zwiſchen Weingärten, gegen die Kugeln der Belagerten durch einen Erdhügel
gedeckt, wurde das geräumige, grüne Zelt des alten Helden ausgeſpannt, auf den
Hügeln herum, lagerte das unabſehbare Heer. Seine Macht zu verkünden, ließ
der Sultan aus allen Gewehren des Fußvolkes und aus den Geſchützen, das
zahlreich und zum Theile von niegeſehener Größe war, feuern. Der Boden
zitterte, die Lüfte hüllten ſich in Dampf und Rauchſäulen. Meilenweit ſcholl
das Toſen und Krachen.
Zwei tauſend fünfhundert Mann machten die Beſatzung
von Szigeth aus, ihr Führer war der Ban von Croatien, Graf Niklas Zrinyi Weiſe
hatte dieſer große Feldherr Stadt und Veſte mit allem Nöthigen verſehen, und
ſoviel möglich war in Vertheidigungsſtand geſetzt, doch war nur das Schloß
feſt, die Altſtadt wenig befeſtigt, die Neuſtadt unhaltbar.
Als das Feindesheer ganz nahe war, berief Zrinyi
alle Soldaten ſammt ihren Führern in den inneren Hof, ermahnte ſie tapfer zu
fechten, ihren Führern zu gehorchen, keinerlei Gemeinſchaft mit dem Feinde zu
halten, die hereingeworfenen Briefe ungeleſen an den Hauptmann abzugeben, und
ohne Befehl nicht von ihrem angewieſenen Poſten zu weichen. Im Falle ſeines
Todes beſtimmte er ſeinen Schweſterſohn, Caſpar Aglſi, zum Nachfolger.
Feierlich leiſtete er den Schwur, für König und Vaterland zu leben und zu
ſterben, und Alle ſchwuren ihm nach.
Stürmend rückte inzwiſchen Soliman gegen die
Neuſtadt an, die nur mit einem einfachen Walle umgeben war. Mit Mühe
vertheidigte Zrinyi die ſchlecht befeſtigte Stadt von Mittag bis zur Nacht. Da
Widerſtand ferner unmöglich war, ließ er die Stadt anzünden. Die Häuſer mit
ihren Strohdächern, die Zäune der Gärten und Wieſen gingen in Flammen auf, eben
ſo die Mühle. Die Bäume, welche der Altſtadt und der Feſtung zu nahe ſtanden, wurden
umgehauen, und Alles zog ſich in die Alt ſtadt; aber von den
zweitauſendfünfhunderten waren mehr als die Hälfte todt geblieben, und nur ſechshundert
Soldaten führte Zrinyi in die Altſtadt.
Sobald das Feuer gelöſcht war, ließ Ali Portuk
das größte Geſchütz auf den Platz der niedergebrannten Stadt aufführen, unter
dem Schutze der Janitſcharen Schanzen aufwerfen, und die Altſtadt beſchießen,
die von der neuen nur durch Gräben getrennt war, die nicht ſehr breit, aber
deſto tiefer und mit Waſſer gefüllt waren.
Doch ſeine Abſicht wurde vereitelt. Denn
unglaublich ſchnell fiel Matthäus Serud mit ſeinem Fußvolk auf die
überraſchten Janitſcharen, zerſprengte ſie, hieb viele nieder und kehrte faſt
ohne Verluſt in die Stadt zurück, wo man nun Rath pflog, ob die Altſtadt
vertheidigt werden oder dem Feinde überlaſſen, und nur die eigentliche, ſtarke
Feſtung beſetzt werden ſollte. Zrinyi war, in Betracht der geringen Anzahl
Vertheidiger, der letzteren Meinung, und wollte die Stadt den Flammen übergeben.
Dagegen bat Serud mit dem größten Theile des Fußvolkes, ihrer bewährten
Tapferkeit doch zu vertrauen, und ſie die Stadt noch einige Zeit vertheidigen
zu laſſen, eh man ſich in die Feſtung zurück ziehe.
Ungern, doch überſtimmt gab Zrinyi endlich
nach, und wies jedem ſeinen Platz und ſeine Arbeit an. Ununterbrochen donnerten
nun Tag und Nacht die Feuerſchlünde, und von den Eiſenballen vielfach durchbrochen,
wankten die ſechs Fuß dicken Mauern der Altſtadt.
Raſtlos betrieb Ali Portuk die Belagerung des
feſten Schloſſes. Unausgeſetzt donnerten die Kanonen, die er auf die ſüdwärts
aufgeworfenen Schanzen hatte aufführen laſſen, verderbend auf den Thurm, der
in der Mitte der Feſtung ſtand. Tönend ſtürzten die Glocken, die Thurmuhr
krachte zuſammen, der Thurm neigte ſein Haupt erden wärts. Dadurch, daß Ali
Portuk den großen Damm, der den Bach Almus rings um die Fesſtung zum Teiche
anſchwellte, durchgraben ließ, worauf das Waſſer abfloß, ward der Zugang
erleichtert.
Die Feſtung von allen Seiten anzugreifen, ließ
er auch auf dem Damme Geſchütze aufpflanzen, und vier der größten gegen die
Feſtung richten. Ergrimmt über dieſe Kühnheit der Belagerer, baten die
Hauptleute Rodovanyi und Daudo, Zrinyi unabläſſig, ihnen einen Ausfall auf
dieſe Batterie zu erlauben. Vergebens ſtellte ihnen der Ban vor, daß inner den
Mauern Arbeit und Gefahr genug ihrer harre, daß ſie ihre Tapferkeit für wichtigere
Augenblicke ſparen, und ſich nicht ohne Noth in einem ſo gefährlichen, ganz vom
Zufalle abhängenden Unternehmen, dem Verderben bloß ſtellen ſollten. Nachdem er
durch drei Tage ihren Bitten widerſtanden, gab er ihnen endlich die gewünſchte
Erlaubniß.
Mit Freudengeſchrei ſtürmten bei
Sonnenunter gang zweihundert Krieger von erprobter Tapferkeit unter der
Anführung der kühnen Helden aus der Stadt auf die überraſchten Janitſcharen
und Arbeiter. Die meiſten flohen in Verwirrung. Aber ehe noch die Kanonen alle
vernagelt, Räder und Achſen zerbrochen werden konnten, kam der Feind von allen
Seiten herbei. Zwar wehrten ſich die Ungarn tapfer und kamen ohne großen
Verluſt in die Stadt zurück, aber ihre beiden Heldenführer, immer dieIhrigen
aneifernd, immer an der Spitze des Haufens, da wo die Gefahr am drohendſten
war, fielen durchbohrt von tödtenden Kugeln, und ihre Leichen kamen in die
Gewalt der Türken, die ihnen die Köpfe abſchnitten, dieſe auf Pfähle geſteckt,
der Feſtung gegenüber auf Kanonen pflanzten, und den Belagerten zeigten.
Streng verboth Zrini nun jeden Ausfall, und
befahl Jedem, was ihm beſchieden würde, ruhig zu erwarten. – Ali Portuk blieb
unermüdet thätig. Schlam und Koth umgab nun ſtatt Waſſer die Feſtung. Auf
Weidenhürden, unter dem Schutze vorangewälzter Steine und Wollſäcke, ſuchten
die Janitſcharen ſich der Stadt zu nähern, und durch den Sumpf, der die Feſtung
umgab, ſich einen Weg zu bahnen. Mit Pfeilen und Büchſen ſchoſſen ſie nach den
Ungarn, die ſich auf den Mauern ſehen ließen, und verſuchten ſogar Kanonen nach
ſich zu ziehen.
Keine Truppengattung blieb mit Arbeit
verſchont. Ali Portuk eiferte ſeine Krieger unermüdet an, und zeigte ihnen,
wie ſie das Verderben der Belagerten beſchleunigen ſollten. Mit Erſtaunen ſahen
die Türken den erfolgreichen Widerſtand gegen ihre ungeheure Uebermacht.
Nach ſiebzehn Tagen war endlich die Mauer durchſchoſſen,
der Wall ward erſtiegen, die Stadt erobert. Aber mit ungeheurem Verluſte für
die Türken, welche mehr als ein Mal zurück geſchlagen wurden. Bis auf
dreihundert zuſammen geſchmolzen, zogen ſich die braven Ungarn nach der Feſtung
zurück. Den Janitſcharen war es gelungen, die Letzteinziehenden aufzuhalten
und niederzuhauen. Die Hauptleute und Ritter Batha Diak, Giori Bosnyal, Gerd ei
und viele Andere beſchloſ ſen hier ihr Heldenleben. Dem kühnen Sex ud, den
Führer des Fußvolks, waren beide Knie von Kugeln zerſchmettert worden; mühſam
wurde er nun in die Feſtung getragen. Zertrümmert und im Schutte lagen die
Wälle der Altſtadt, und waren nun auch in Feindes Gewalt.
Soliman hatte erfahren, daß der Fall der Stadt
die Frucht von Ali Portuks - raſtloſem Bemühen ſey. Sogleich ſandte er ihm
zweihundert Goldſtücke und den Befehl: ſeinen Eifer nicht erkalten zu laſſen.
Dadurch noch mehr angeſpornt, ließ Ali Portuk augenblicklich das Geſchütz dem Schloſſe
näher führen, und als nach zwei Tagen Arbeit die Schanzen fertig waren, dieſes
von zwei Seiten heftig beſchieſſen. Voll Eifer, überall ſelbſt gegenwärtig zu
ſeyn, und nach ſeiner Ueberzeigung Anordnungen zu treffen, begab er ſich
unvorſichtig an die gefahrvollſten Oerter, und wurde ſo dem Tode zum Raube. Von
einer Kugel getroffen, die ihm Bart und Kinn wegrieß, ſank er mit zerriſſ'ner Kehle
leblos hin.
Ali Portuk, ein Portugieſe von Geburt, war
in ſeiner Jugend von Seeräubern entführt, und dem Hairadin Barbaroſſa als
Geſchenk gebracht worden. Dieſer, der viele tapfere Krieger erzog, bildete auch
Ali zu einem tüchtigen Führer zu Waſſer wie zu Lande, und als dieſer diente
er ſeinem Sultane treu und muthig. Drum ging Solim ann nun der Verluſt dieſes,
in ſeiner beſten Mannskraft gefallenen Feldherrn ſehr nahe, um ſo mehr, da er
ſeinem Freunde und Waffenbruder Dragut, der ein Jahr zuvor, bei der Belagerung von
La Valette geblieben war, ſo bald ins Grab folgte.
Seifedin übernahm nun den Oberbefehl des türkiſchen
Heeres. Als nach zwei Tagen die Mauer links vom Schloßthore durchſchoſſen, und
der Graben mit Flechtwerk ausgefüllt war, glaubte er einen Sturm wagen zu
können. Unter dem Schmettern der Trompeten, unter dem Wirbeln der Pauken und Trommeln,
drangen die Türken heran, aber der kräftige Widerſtand warf ſie zurück. Die
kühnſten Feinde, und mehr als ein Beg fielen im Gefechte, eine große Zahl der
Fliehenden, die aus dem Schlamme ſich nicht heraus arbeiten konnten, ſanken von
Kugeln getroffen. – Zwei erbeutete Purpurfahnen ließen die Ungarn, dem Feinde
zum Hohne, auf dem Walle flattern.
Soliman befahl den Sturm zu erneuern, und
immer wieder zu ſtürmen, bis die Veſte erſtiegen ſey. Die Türken, ohnehin
erbittert über den Verluſt ſo vieler von ihren Tapferſten, gingen freudig und
raſch ans Werk. Bald wurde das Schloß von drei neuen Batterien, auf drei Seiten
geängſtigt. Nachdem die Mauern an mehreren Stellen durchlöchert einſtürzten,
erneute Seife din den Sturm, aber ſein Bemühen, war fruchtlos. Zwar verloren die
Ungarn viele ihrer Braven, unter dieſen den Andreas Bika, Zrinyis Liebling,
aber die Ottomannen wurden doch zurückgeſchlagen, der Graben mit ihren Leichen
beſtreut, und ihr Verluſt war größer als das erſte Mal.
Um acht Uhr früh des Tags darauf tönte Trompetengeſchmetter
und Paukenwirbeln vom tür Fiſchen Lager her, ein Kugelregen begrüßte die
Belagerten, die ſich aber in der Ausbeſſerung der Feſtungswerke nicht ſtören
ließen, und dem Sturme muthig entgegen ſahen, der jedoch diesmal unterblieb.
Aber Nachts rotteten ſich die Janitſcharen bei allen Schanzen, überſchritten
den Graben, der, weil kein Regen fiel, ganz trocken war, und gelangten, von
Dunkelheit geſchützt, bis an das heniriſche Vorwerk, welches ſie mit großem
Verluſte, nach tapferem Widerſtande eroberten.
Nun fingen ſie an die Mauern zu
untergraben. Nach dreitägiger Arbeit war der Gang unter der Mauer ſo weit
gebracht, daß ſie von innen in ihren Minen geſehen wurden. Gregor Poqui und
Benedict Medvei, die ohne Bedenken herbei geeilt waren, die Feinde abzuwehren, wurden
von den Türken mit langen eiſernen Hacken hinabgezogen und grauſam getödtet.
Zrinyi ließ Fäßer Pulver hinabrollen und
anzünden. Die Türken in den Minen wurden zerriſſen oder erſtickten in Rauch,
aber die Leichname wurden bald weggeſchafft, und die Arbeit Tag und Nacht fortgeſetzt.
In die ſo entſtandne Grube wurde brennbarer Stoff geworfen, das unterlegte
Pulver angezündet, und bald ſtand das Vorwerk in Flammen, welche vom Winde
getrieben, auch das zur Ausbeſſerung der Mauern herbei geſchaffte, aufgehäufte
Holzwerk und Weidengeflechte ergriffen.
Jetzt eilte, was im Schloſſe war, Soldaten,
Bauern und Weiber mit Waſſer zum löſchen herbei, denn die Gefahr des Feuers
drohte allgemeinen Untergang. Aber unausgeſetzt flogen die Kugeln nach dem
Schloſſe, und die Janitſcharen ſchoſſen wüthend auf die Löſchenden.
Bald wagten die Osmannen an jenen Vorwerke,
welches nach dem vorlängſt verſtorbenen Palatin Na das dy genannt wurde, einen
wüthenden Sturm. Aber hier, wo Zrinyi in Perſon befehligte, ſelbſt ſeine
muthigen Krieger aneiferte, und mit eigener Hand die kühnſten Feinde, welche
die Mauer erſtiegen hatten, niederhieb oder hinabſchleuderte, wurden ſie mit
Verluſt zurück geworfen, viele entkamen halb verbrannt, andere, denn Schwerte
entgangen, ſtürzten in die Flammen. Siebentauſend Mann koſtete die Türken
dieſes mißlungene Gefecht, unter den Ungarn, die hier fielen, fand Johann Novakowitz
den Heldentod.
Doch nicht Soliman war es nun, der die kleine
Heldenſchaar mit zahlloſen Schaaren angriff, mit allen Zerſtörungswaffen
bedrängte. Erſtaunt Lob des unvermutheten Widerſtandes, aufgebracht über die
mißlungenen Verſuche, harrte er voll Ungeduld auf Szigeths Fall, und erwartete
ſtündlich die Nachricht ſeines vollkommenen Sieges zu vernehmen. Da ergriff
ihn die kalte Hand des Todes, und zog den Eroberer inmitten ſeines geträumten
Siegeslaufes ins Grab hinunter, und die Freude, Szigeths endlichen Fall zu
vernehmen, war ihm nicht gegönnt. Von Alter und Krankheit lange ſchon
entkräftet, erlag ſein Körper der beſtändigen Spannung, den tobenden Wirkungen
des angeſtrengten Geiſtes mehr als der Krankheit, die ihn ergriff, und unter
heftigen Schmerzen ſchied der greiſe Sultan vom Leben, während eben ſeine Schaaren
den Sturm fruchtlos erneuten. Doch blieb bis nach vollendeter Belagerung des
Sultans Tod dem Heere ein Geheimniß. Der kluge Mehmed Baſſa hielt dadurch
Verwirrung und Beſtürzung von demſelben ab, beſchleunigte den Fall Szigeths.
Dort wüthete die Flamme unwiderſtehlich, und
war nahe daran, den Pulverthurm zu ergreifen. Zrinyi, den allgemeinen Untergang
beſorgend, wenn ſie dieſen erreichte, zog mit dem Reſte ſeiner Braven in die
innerſte Feſtung zurück. So bart verfolgt, daß kaum die Thore geſchloſſen
werden konnten. Den Außentheil mit allen Vorräthen hatten nun die Türken in
ihrer Gewalt. Da fanden ſie den verwundeten Se rud, den ſie fühllos mordeten, ſeine
Gattinn mit neun Kindern gefangen fortſchleppten, und alle bedeutende Habe
raubten. Eine Menge Weiber und Kinder, die ſich nicht ſchnell genug hatten in
die innere Feſtung retten können, fielen den Ottomanen in die Hände, welche
über ihren Beſitz in Streit geriethen. Bei dem daraus entſtandenen Getümmel
feuerten die Ungarn auf die dichten Haufen der Feinde und tödteten viele.
Nun wurde alles vorgefundne Geſchütz auf
das Schloß gerichtet, alle Wege und Zugänge beſetzt, und was ſich von den
Ungarn ſehen ließ, mit zahlloſen Pfeilen und Kugeln durchbohrt. Die Belagerten
waren hart bedrückt und litten Mangel an Allem. Zwei Tage noch ſahen ſie
entſchloſſen ihrem Ende entgegen.
Am zwei und vierzigſten Tage der
Belagerung, am Feſte Maria Geburt, warfen die Janitſcharen Brandraketen in's
Schloß und in Zrinyi's Wohnung. Ein Freudengeſchrei erhob ſich unter den
Türken, als ſie das Feuer erblickten. Mehmed gab ſogleich Befehl zum
allgemeinen Sturme, und unter dem Schmettern der Trompeten, dem Getümmel der
Pauken und Trommeln rückte das ganze feindliche Heer gegen die letzte Zuflucht
der auf's Aeußerſte bedrängten Ungarn.
Als Zrinyi dieß ſah, ſchmückte er ſich zum
Tode. Er legte ſein reichſtes Gewand an, bedeckte ſein Haupt mit dem Kolpak,
welchen er nur an feſtlichen Tagen gebraucht hatte, und der mit Reiherfedern
geſchmückt war, welche in Gold und Edelſteine gefaßt, ſchimmerten. Dann nahm
er die Schlüſſel der Veſte zu ſich, ſie bis in den Tod zu bewahren, und
hundert Goldſtücke, damit kein Hund von Tür ken ſagen könne, es habe nicht
der Mühe gelohnt, den Zrinyi auszuziehen; wählte unter vielen Säbeln das
Perſerſchwert, das er von ſeinem Vater geerbt, und oft ſchon ſiegreich in
drohenden Gefahren geführt hatte, und mit dem er nun, nach Gottes Willen den
letzten Kampf kämpfen wollte.
Er verſammelte den Reſt ſeiner Mannſchaft, die
bis auf zweihundert ſiebzehn geſchmolzen war, und redete ſie an: Ihr ſeht,
Kameraden, wie weit es gekommen, daß wir nicht der Uebermacht der Feinde
weichen, ſondern durch die Wuth des Elements mit dem Untergange bedroht werden.
Rettung iſt unmöglich. Sollen wir warten bis uns die Flamme, ergreift ? oder
uns den Ungläubigen gefangen geben? So lange ein Lebensfunke in mir iſt, geb'
ich nicht zu, daß ſie mich mit Ketten an Hals und Händen durch ihr Lager
ſchleppen. Frei hab' ich gelebt und will frei ſterben. Ich will hinaus und als
Ungar den Säbel in der Fauſt rühmlich enden.
Da ſchrien Alle, dieß ſei auch ihr Wille.
Sie warfen ihre Harniſche und ſelbſt die Säbelſcheiden weg und behielten nichts
als den Säbel, um behänder zu ſeyn und leichter Wuhden zu empfangen. Erſt trugen
ſie eine große Kanone, die mit vielen kleinen Kugeln, Eiſenſtücken und Ketten
geladen war, an's Thor, öffneten das Thor und ſchoſſen ſie auf die außen ſchon
ſich zur Brücke herandrängenden Türken ab. Der Schuß ſtreckte über
ſechshundert Mann todt oder verwundet nieder.
Kühn und freudig ſtürzten die Ungarn,
Zrinyi an der Spitze, Juranitſch mit der Fahne ihm zur Seite, aus dem Thore,
zum letzten Kampfe für Freiheit, Ehre und Vaterland. Scharenweiſe ſanken die
beſtürzten Feinde von ihren ſcharfen Klingen gemäht. Aufs Knie geſtürzt und
verwundet, wehrte der Held ſich noch mit dem Gürteldolche, mit den Fäuſten,
mit den Zähnen, bis ein Schuß in den Schlaf ihn nieder ſtreckte.
Mit ihm und um ihn fielen die meiſten
ſeiner Kampfgefährten, darunter , Paprutowicz s, Niclas Koback, Peter Pabowiczs,
Niclas Juranitſch, die Jünglinge Johann Lagoris, Paul Iſtvaffan di, und Paul
Kaki. Georg Kaprara, der unlängſt den
Türken Ali Aga im Zweikampfe beſiegt hatte, und Johann Nowack zogen ſich
fechtend zurück, erreichten den ſteinernen Thurm, und vertheidigten ſich noch
einige Zeit darinnen, bis ſie endlich, mehr ermüdet als beſiegt, von der Menge
überwältigt, erſchlagen und bei den Füſſen herausgezerrt wurden. Kaſper
Alapi, da er Zrinyi fallen ſah, dachte ſich noch zu retten, und wurde ſpäter,
als die Wuth der Janitſcharen ſchon etwas nachgelaſſen hatte, entdeckt. Seiner
dunkeln Geſichtsfarbe und der unanſehentlichen Geſtalt halber, hielten ſie ihn
für einen Knecht, und ſchenkten ihm das Leben.
Er bewahrte Zrinyi's Leiche vor dem
Schimpfe verſtümmelt zu werden. Die Janitſcharen, welche die koſtbaren Armgeſchmeide
ihr nicht abnehmen konnten, wollten die Hände, welche das Abſtreifen hinderte,
abhauen. Alapi öffnete das Geſchmeide und ſie ließen den Leichnam unbeſchimpft.
Cerok, Zrinyi's Diener und Gera's wurden ihrer Jugend und Schönheit wegen
verſchont. Den Stephan Oſi cts ſchützte der Türke Haſſan es, der als ſein
Gefangener mit Milde war behandelt worden, vor der Wuth der Sieger.
Dieſe alle kaufte Zrinyi's Sohn, Graf Georg
Zrinyi, nachmals frei. Der Janitſcharen - Aga, der auch Zrinyi's Schwert, ſein
Prachtroß, Peruaner genannt, kurz ſeine ganze Habe ſich zueignete, ließ das
Haupt des Helden vom Körper ſondern und vor ſeinem Zelte auf einen Pfahl
ſtecken. Den Rumpf begrub Muſtapha Vilath, einſt Zrinyi's Gefangener. Später
ſchickte der Großveſir Mehmed das Haupt Zrinyi's in's kaiſerliche Lager an den
Grafen Salm mit dem Schreiben:
>Zum Zeichen meiner Freundſchaft ſchicke
ich Euch das Haupt eines der tapferſten Feldherrn Eures Freundes; den Reſt des
Körpers habe ich, wie es ſich für einen ſolchen Helden ziemt, ehrenvoll
begraben laſſen.«
Die Belagerung währte vom zweiten Auguſt
bis achten September (1665), zwanzig Stürme waren fruchtlos geweſen. Als die
Sieger die rauchenden Trümmer gierig nach Beute durchſuchten, krachte der Pulverthurm
auf und dreitauſend Feinde flogen verſtümmelt oder verbrannt in die Luft.
Siebentauſend Janitſcharen, über zwanzigtauſend gemeine Krieger und viele
ihrer beſten Führer ließen die Türken todr vor Szigeths zertrümmerten
Mauern, gegen ein Häuflein von dritthalb Tauſenden. Das vermag Treue, wahrer
Muth und feſte Entſchloſſenheit!
Die Burgveften. X.
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